Die 4 Säulen der Bulimie

Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele Menschen nicht ganz im Klaren darüber sind, was genau die Essstörung Bulimie für Kriterien beinhaltet. „Essen und Kotzen“, denken sicher viele. „Das, was die ganzen Models haben.“

Wer kann es uns verübeln? So wird die Krankheit nun mal in den Medien dargestellt. Man spottet oder verurteilt sie und versteckt sie hinter unangemessenen Witzen.

Ich werde euch meine 4 Säulen der Bulimie, die jene Krankheit stabil halten, in meinen eigenen Worten veranschaulichen. Dahinter stehen keine medizinischen Belege – nur die persönliche Auffassung einer Betroffenen.

Triggerwarnung: Falls es für die ein oder anderen zu viel ist, dann stoppt das Lesen bitte jederzeit! ❤

Um zunächst die Frage zu erklären: Was ist eigentlich Bulimie?

Bulimie (auch bekannt als bulimia nervosa, oder Ess-Brech-Sucht) bezeichnet eine Form der drei großen Essstörungen, in denen die meisten betroffenen Menschen ein „Normalgewicht“ haben und aus verschiedenen Gründen in die Krankheit rutschen. Oft waren sie vorher magersüchtig oder sind durch ein bestimmtes Diätverhalten hineingerutscht (bei mir trifft beides zu). Charakteristisch für die Krankheit sind Heißhungerattacken, die durch exzessiven Sport oder Erbrechen fortgesetzt werden. Wie in meinem Fall und in jedem anderen, von dem ich bis jetzt gehört habe, ist es eine „heimliche“ Krankheit. Durch ihre äußerst präzise Vertuschung lässt sie sich kaum anmerken. Das allerwichtigste jedoch ist, dass es eine psychische Krankheit ist. Sie greift die Seele an und kann tiefe Depressionen verursachen.

Und nun zu meinen 4 Säulen der Bulimie:

1. Das schlechte Gewissen

Der Kopf ist der Auslöser des Ganzen. Kommt der Tag, an dem man Essen nicht mehr genießen kann, entsteht die erste Problematik. Ich rede nicht von dem schlechten Gewissen, dass man z.B. bei Fastfood bekommt, weil es ungesund ist. Wenn ein Stück Kuchen ein so schlechtes Gewissen auslöst, dass man anschließend intesiven Sport betreiben, erbrechen oder gar von Anfang an darauf verzichten will, werden die Gedanken ungesund.

2. Die Essanfälle

Vermutlich kann man den Begriff Essanfall erst dann nachvollziehen, wenn man wahrhaft einen hatte. Ein richtiger Essanfall, in dem die Kontrolle den Körper verlässt und man einfach nur isst. Ich kann das Schamgefühl nicht abstellen, das beim niederschreiben dieser Erinnerung entsteht. Jene Momente lassen mich wie ein ausgehungerten Leoparden erinnern, der sich wollüstig seinen Trieben hingibt und alles verschlingt. Es ist Zwang, der kaum zu stoppen ist.

3. Der exzessive Sport

Man muss sich nicht übergeben, um Bulimie zu haben. Meine anfänglichen Essattacken wurden durch übermäßigen Sport versucht zu kompensieren. Ich aß, bis mir der Bauch weh tat und ging anschließend zum Sport, um drei Cardio-Kurse hintereinander zu absolvieren. Dadurch, dass ich nichts „Abartiges“ tat, bemerkte ich nicht, wie tief ich in die Krankheit rutschte. Noch immer erwische ich mich dabei, wie ich nach einem deftigen Essen automatisiert ein paar Squads und Sit-Ups mache, um die Kalorien weg zu kriegen. Es bestätigt mir, dass ich noch lange nicht gesund bin.

4. Das Erbrechen

Ich kann bis heute nicht sehr gut über dieses Thema sprechen, weil es mich selbst triggert und mir schon beim Gedanken daran übel wird. Nur so viel. Das Übergeben ist leider zu oft Bestandteil der Krankheit. Der „Akt“ an sich kann sich schnell zu einer Sucht entwickeln und zu einem Teufelskreis ausarten. Er zerstört dahingegen die Anatomie des Körpers und greift die Seele an. Klingt sehr dramatisch und ich wünschte sehr, ich würde übertreiben. Fakt ist, dass das Erbrechen ziemlich viel anrichtet.

Dies war sie, eine kleine Einführung der 4 Säulen durch mein Höllentor. Es ist mir wichtig, die Krankheit jenseits ihrer Klischees zu verdeutlichen, weil sie sehr ernstzunehmen ist und auf die „richtige“ Weise thematisiert werden sollte.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Montag. ♥

 

12 Kommentare zu „Die 4 Säulen der Bulimie

  1. Hallo,
    ich finde, ein sehr hilfreicher Post! Vor allem, da, wie du schon geschrieben hast,in den Medien Bulimie in der Regel leider wirklich nur als „Essen und hinterher Kotzen“ dargestellt wird … Das die Erkrankung so viel vielfältiger ist (Denkmuster, begleitende Gefühle …) wird dann außer Acht lassen, ähnlich wie es bei uns Zwangserkrankten oft heißt „Das sind doch die, die immer putzen und zigmal den Herd kontrollieren“ *Augen roll*
    Ich erinnere mich, dass meine Tante in meiner Kindheit Bulimie hatte. Hätten meine Eltern es mir nicht erzählt, ich hätte es nicht mitbekommen, denn gewichtsmäßig merkte man es ihr nicht an.

    Liebe Grüße

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  2. Für mich sind alle Deine Einträge dieser Art immer sehr lehrreich und, so versuche ich es jedenfalls für mich unmzusetzen, hilfreich, mich diesre Krankheit immer mehr und besser zu nähern. Natürlich nicht im Sinne selbst in ihr einen „Ausweg“ etwa aus sonstigen Problemen zu suchen, sondern um besser zu verstehen, um Menschen, die an dieser Krankheit leiden, tatsächlich unabhänguig von allen Fehlinterpretationen und stignatisierenden Verkürzungen in ihrer eigentlichen Persönlichkeit zu sehen und so so gut und viel wie möglich verstehen zu können. Im allerbesten Fall durch angemessenes eigenes Verghalten auch ein bisschen unterstützen zu können.

    (Einen kleinen redaktionellen Hinweis habe ich noch: Bei der für Dich so besonders schwierig zu schreibenden vierten Säule endet der letzte Satz nicht – irgendiwe fehlt da was, glaube ich. – Aber das schmälert nicht den Eintrag und seine Wichtigkeit als solche!)

    Herzlich sehr liebe Grüße an Dich, liebe Mia!

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    1. Danke dir, lieber sternfluesterer. Ja, manchmal werden die Beiträge als frühere Entwürfe veröffentlicht – ist mir schon öfter passiert – dir auch?

      Und es freut mich natürlich sehr, dass du als Nicht – Betroffener Mensch Interesse für diese Themen zeigt!

      Viele liebe Grüße zurück! ⭐️

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  3. Liebe Mia,
    wieder ein sehr toller Beitrag, der die realistischen Hinter- bzw. Abgründe aufzeigt.
    Was die meisten nicht wissen, ist, dass Bulimie nicht zwangsläufig mit sich-Erbrechen einhergeht. Du hast es wunderbar mit deinem Sport erklärt. Einige kompensieren ihre Attacken durch tagelanges Fasten oder nehmen Abführmittel, um alles ganz schnell wieder loszuwerden.
    Deine Offenheit ist super. Genau das wird gebraucht, um den ganzen Falschwahrheiten entgegenzuwirken. Danke dafür.
    Hab einen tollen Tag. 😚
    Viele stürmische Grüße aus dem Sachsenland
    Michaela 😊

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    1. Dankeschön, liebe Michaela!
      Das stimmt, die Krankheit ist leider mehr als von der Allgemeinheit zu glauben scheint. Fasten und Sport ist ebenso Bestandteil davon!

      Viele Grüße zurück! Hier ist es nicht stürmisch, aber sehr, sehr kalt!

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