Über den Grundgedanken „nicht genug“ zu sein – meine Erfahrung und Tipps dagegen

„Ich bin nicht genug.“

„Ich bin seiner/ihrer nicht würdig.“

„Ich habe Glück überhaupt Freunde zu haben.“

„Ich habe Glück, dass überhaupt jemand auf mich steht.“

„Er/sie ist zu cool für mich.“

„Er/sie ist zu schön für mich.“

Vielleicht ist in den ein oder anderen Beitrag durchgesickert, dass ich mein ganzes Leben lang sehr starke Minderwertigkeitskomplexe hatte. Diese Tatsache hat natürlich meine eigene Wahrnehmung, mein Selbstbild und mein soziales Leben beeinflusst.

Warum denke ich, dass ich nicht genug bin?

Wichtig ist immer nach den Wurzeln dieser Grundannahmen zu denken. Denn nur so kann man sie fest packen und rausreißen. Wo sind also meine Wurzeln?

Körperbild

Meine Essstörung ist zwar erst mit Anfang 20 ausgebrochen, aber ich habe schon seit ich denken kann einen inneren Kampf mit meinem Körper gehabt. Nie fand ich ihn schön oder richtig. Als Kind galt ich als viel zu dünn, und später als an den falschen Stellen zu dick. Mein unzufriedenes Körperbild prägte den Grundgedanken hässlich zu sein.

Hautfarbe

Obwohl ich mich hier noch nie mit einem Selbstprotrait gezeigt habe, wissen die ein oder anderen, dass ich zwar hier geboren bin, aber einen anderen ethnischen Ursprung habe. Eigentlich stört mich das nicht weiter, allerdings hatte ich immer das Ideal „weiß“ vor Augen und das seit der Kindheit. Die weiße blonde Barbie, die weißen Figuren in Kindersendungen und am Ende bekommt der Prinz die weiße Prinzessin. Später kamen  persönliche Erfahrungen hinzu, in denen ich untergeordnet wurde. Diese setzten mir den Floh ins Ohr, dass Männer mich aufgrund meiner Hautfarbe nicht attraktiv fanden.

Keine Freunde.

Mit 10 zog ich aufgrund der Arbeit meiner Eltern von einer kleineren Stadt in eine regelrechte Metropole. Besonders der Schulwechsel setzte dazu bei, dass ich keinen Anschluss und dementsprechend keine richtigen Freunde fand. Ich war ihnen zudem zu „dörflich“ und wurde in dem Sinne „gemobbt“, dass ich von allen ausgeschlossen, nicht beachtet und hintern Rücken über mich gelästert wurde. Keine Freunde zu haben bedeutete für mich jeden der mit mir sprach mit offenen Armen zu begrüßen und über mich zu stellen. Die meisten meiner anfänglichen Freundschaften waren daher sehr toxisch für mich.

Kindheitstrauma

Ich werde hier detailreiche Erlebnisse weglassen, aber trotzdem erwähnen, dass während meiner Erziehung mit vielen verbalen Aussagen wie du bist schlecht, du bist schrecklich, du bist furchtbar, du bist dumm, du bist eine Schande konfrontiert wurde. Obwohl es mir damals nicht bewusst war (und ich es nicht einmal als Beleidigung empfand), hat es viel mit meiner Entwicklung gemacht.

Ich bin genug!

Nachdem ich die Wurzeln ergründet habe, konnte ich viel besser verstehen, warum ich diese Minderwertigkeitskomplexe hatte und noch immer habe. In der Therapie habe ich viele dieser Grundgedanken versucht aufzuarbeiten und als Gegenargument festzuhalten, warum ich sehr wohl genug bin. Ich habe mich zudem nicht auf die negativen Erfahrungen, sondern auf positive gestützt.

Ich werde für einen netten Menschen gehalten.

„Ich werde für einen toleranten Menschen gehalten“

„Ich werde für eine gute Freundin gehalten.“

„Ich werde von Menschen gemocht.“

„Ich bin anderen Menschen wichtig.“

„Ich werde von Menschen als schön bezeichnet.“ Von einigen zumindest… außerdem ist Schönheit natürlich relativ. Ich bin nach wie vor nicht jedermanns Typ. Verdammt – jetzt kommen die Minderwertigkeitskomplexe wieder dazwischen :p ICH BIN SCHÖN!!!

Ich bin genug! Ich bin nicht zu wenig oder schlecht oder nicht würdig.

Ich weiß es inzwischen, auch mich noch regelmäßig eine Welle der Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Aber so leicht geht das natürlich nicht. Seine Denkweisen zu ändern erfordert Mühe und Geduld. Einen leichteren Weg gibt es nicht. Und es lohnt sich ihn zu gehen.

Überraschend für mich war, dass ich mehr positive Gegenargumente gefunden habe und die negativen trotz allem immer intensiver wahrnehme. Irgendwie ist das schon komisch. Vielleicht habe ich aber auch nur einen Knick in der Optik!

Habt ihr manchmal auch mit Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen? Dann hilft es euch vielleicht sie zunächst zu ergründen und nach Beispielen zu suchen, warum sie nicht zutreffen.

Falls ihr noch weitere Tipps habt, dann immer her damit!

Habt einen schönen Montag! ♥

19 Kommentare zu „Über den Grundgedanken „nicht genug“ zu sein – meine Erfahrung und Tipps dagegen

  1. Wieder mal ein sehr guter Beitrag, liebe Mia ❤
    In meinem Leben gibt es einige Parallelen zu deinen Erfahrungen. Auch ich war "nie gut genug", besonders mein Vater ließ kein gutes Haar an mir. Ich war ihm zu dick, zu schwer, zu dumm, zu andersartig (nicht in die Familie passend, das schwarze Schaf eben!), zu unangepasst.
    Ich bin zwar weiß, fand das früher aber furchtbar und wollte immer braun sein, weil das eben moderner war. Heute aber mag ich meine Schneewittchenhaut, der Film "Matrix" hatte mir gezeigt, dass weiße Haut schön ist 🙂
    Freunde hatte ich als Kind auch keine, das lag an meiner Erziehung, ich durfte ja nie raus und was mit anderen machen. Wir zogen auch um, als ich in der 2. Klasse war, in die Großstadt. In der neuen Klasse hatten sich die Freundschaften schon gebildet und ich war außen vor. Auf dem Gymnasium wurde ich dann gemobbt, war auch ein gutes Angriffsziel so ganz ohne Freunde 😦
    Aber heute weiß ich, dass ich gemocht und akzeptiert werde. Natürlich nicht von allen Leuten, aber das ist auch gar nicht nötig 😀

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    1. Danke für dein Kompliment! 🙂 Deine Parallelen konnte ich sehr gut nachvollziehen. Es zeigt, dass das Umfeld einen so großen Teil dazu beiträgt. Ohne Freunde zu sein und als Kind Neuänfänge zu erleben, kann einen sehr prägen. Noch dazu die Erziehung, die bei uns beiden manchmal sehr ähnlich zu sein scheint.

      Ich kenne auch Menschen, die mit ihrer Haut unzufrieden waren/sind, aber das ist so traurig, denn eigentlich sind alle Hautfarben schön. Nichts sollte höher gestellt werden, denn die Hautfarbe kann man nicht ändern.

      Liebe Grüße! ❤

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      1. Ja theorethisch kann man die Haut auch bleichen. Aber das widerspricht der Struktur des Körpers inwieweit er geboren ist. Die Hautfarbe kann man sich schließlich nicht aussuchen. 🙂

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  2. Liebe Mia,
    das ist wieder ein sehr schöner Beitrag, der sehr zum Denken anregt. Danke dafür ❤
    Was mir dabei auffällt, ist, dass deine Gegenargumente gegen die Minderwertigkeitsgefühle alle beinhalten, wie andere dich sehen. So sehr ich das als sehr guten und wichtigen ersten Schritt sehe, so habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass das sehr schnell von außen destabilisiert werden kann und man an dem Punkt auf keinen Fall aufhören sollte.

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    1. Oh, da haben meine Miezen gerade versehentlich auf absenden geklickt, bevor ich fertig war XD

      Was ich sagen möchte: es ist gut und wichtig, zu sehen, dass andere einen nicht so negativ sehen, wie man sich selbst sieht. Möchte man aber nicht riskieren, dass Menschen, denen man fälschlicherweise vertraut hat, einen angreifen können, ist es wichtig, diesen Selbstwert von der Meinung anderer wieder zu lösen, soweit es geht.
      Mir hat dabei enorm geholfen, mich selbst ein bisschen „von außen“ zu betrachten, also, mir zu überlegen, wie ich mich sehen würde, wäre ich nicht ich selbst, sondern eine gute Freundin. All die Dinge, die ich an mir selbst kritisiere würde ich einer guten Freundin sehr viel mehr nachsehen, oder sogar an ihr schätzen. Es würde sie für mich einzigartig und liebenswert machen.
      Das hilft mir sehr, um mich dann von Menschen zu distanzieren, die versuchen, mich runter und klein zu machen und mich vor ihnen zu schützen – bzw zumindest, ihre Aussagen mit mehr Distanz zu betrachten.

      Das wollte ich gerne noch ergänzend hinzufügen.

      Ich finde es aber ganz toll, wie du dich diesem schweren Weg stellst und immer weiter an dir arbeitest. Ich finde das inspirierend 🙂

      Alles Liebe! ❤

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      1. Danke, liebe Grübel-Eule! Du hast mich mit deinem Kommentar sehr zum Nachdenken gebracht. Wie bereits im Beitrag durchgesickert ist, habe ich mich eigentlich immer sehr stark nach anderen Menschen gerichtet. Oft denke ich, dass wenn ich als gut oder schlecht empfunden werden, auch so bin. Aber du hast völlig recht. man sollte seinen Selbstwert niemals nach anderen richten!! Danke für diese Erkenntnis1<3

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      2. Also, ich denke, ihn danach zu richten kann schon ein guter erster Schritt zu einem besseren Selbstwertgefühl sein – gerade, wenn man erstmal intrinsisch sehr wenig sieht, das einem gefällt. Aber man sollte m.e. eben versuchen, die Abhängigkeit davon auch wieder aufzulösen.

        Alles Gute und liebe ❤

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  3. Um es mal auf den Punkt zu bringen, Mia: Du bist einzigartig. Niemand ist wie Du. Und daher sind Vergleiche keine echten.

    Ich war als Kind in der Schule der Überflieger, habe da nur so „abgeräumt“. Was zur Folge hatte, daß in der Pause keiner mit mir spielen wollte. Das war doof, klar. Aber der Gedanke mich an den Anderen zu orientieren, wäre mir nicht mal im Traum gekommen. (Und das mit dem Spielen wurde nachmittags und/oder zu Hause kompensiert.)

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      1. Gern geschehen 🙂 Ich bin – und dafür bin ich meinen Eltern wirklich lebenslang dankbar – von Kind auf an dazu erzogen worden, meine Meinung zu vertreten. „Nochmal drüber nachdenken oder drüber schlafen und dann vernünftig formuliert raus damit und dazu stehen“.

        Tut mir leid, daß Du das anders erfahren hast. Aber weißte was? Ich traue Dir die Kraft zu, daß Du das auch mal so handhaben wirst.
        Liebe Grüße!

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  4. Wieder kann ich Deinem Eintrag, Deinen Erfahrungen, sehr gut folgen, sie nachvollziehen, liebe Mia, obwohl die Gründe für mein „mich nicht für genug halten“ teiweise ein wenig anders liegen. Erkannt und begriffen habe ich sie erst durch meine Therapien.

    So weiß ich, dass das eigene Selbstbewusstsein, das eigene Selbstwertgefühl stark beeinflusst. Und ich hatte von ersterem immer zu wenig, als Kind war das sogar gravierend.

    Noch heute und nach all meinen Therapiesitzungen, ist es für mich nicht leicht, mich zu sehen, wie ich wohl bin. Und noch schwerer ist es, aus mir einen ETWAS anderen zu machen, was mitunter nicht nur generell sinnvoll, sondern vielleicht auch gut für mich selbst wäre.

    Mein Problem ist übrigens NIE gewesen, mich zu sehr an anderen orientiert zu haben. Ich habe mich einfach nie selbst nie für etwas Besonderes gehalten, habe nur ge- und bemerkt, mit der Zeit immer mehr, dass ich teilweise sehr anders bin als andere Menschen. In jungen Jahren konnte ich damit kaum umgehen, was mich regelrecht in Isolation geführt hat. Das wenigstens ist mit den Jahren ein bisschen besser geworden.

    Alles andere schreibe ich hier mal nicht – Du weißt ja, dass ich Dir noch was erzählen will und Dich auch was fragen …

    Das hier (das kann ich denn doch schon mal vorweg nehmen):

    „Überraschend für mich war, dass ich mehr positive Gegenargumente gefunden habe und die negativen trotz allem immer intensiver wahrnehme.“ –

    haben wir sehr gemeinsam!

    Ganz liebe, sternflüsternde Grüße an Dich ❤ !

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    1. Es ist sehr interessant zu lesen, dass trotz unterschiedlicher Auslöser der niedrige Selbstwert sehr ähnlich ist…Aber gleichzeitig ist es auch traurig. Hast auch du dir in der Therapie auch die Fragen nach dem „Warum“ gestellt? Und habt ihr nach Lösungsansätzen überlegt?

      Danke für deinen wieder sehr ehrlichen und offenen Kommentar, lieber sternfluesterer!

      Liebe Grüße! ❤

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  5. Ich find’s gerade sehr spannend zu lesen, wie du dich selbst siehst und was du alles als „falsch“ an dir betrachtest. Bei vielen Sachen erkenne ich mich auch wieder! Ich finde es ist echt eine super Idee, diese Argumente mal ganz konkret festzuhalten und dann nach konkreten Gegenargumenten zu suchen. Du hast natürlich auch recht: Alles ist relativ/subjektiv! Das ist aber schön, da man sich dadurch selbst aussuchen kann, wie man die Welt & sich selbst betrachten möchte! 🙂 Oft ist ein Perspektivenwechsel gar nicht so schwer, ändert aber alles! 🙂 Ich denke, dass ich die Argumente aus meinem Kopf und Gegenargumente demnächst auch einmal für mich selbst auflisten werden. Dann ist es auch Übungssache… Sich immer wieder an die Gegenargumente aktiv an die Gegenargumente erinnern. So lange, bis es sitzt! 🙂

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    1. Danke für deine lieben Worte! 🙂 obwohl ich so bin, finde ich es gleichzeitig auch verrück, wie negativ ich mich selbst immer sehe…Aber Gegenargumente helfen mir sehr! Freut mich, dass du es auch ausprobieren willst 🙂 Ich hoffe es hilft!

      Liebe Grüße!

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  6. Ich schaffe es zwar gerade nicht, einen gehaltvollen Kommentar dazulassen (den dein wundervoller Beitrag durchaus verdient hätte), aber ich wollte dir trotzdem sagen, dass mich deine Worte mitten ins Herz getroffen haben und ich mich darin sehr gut wiedererkenne. Vielen Dank dafür.
    Alles Liebe
    Elín

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  7. ich weiß nicht ob es schon jemand geschrieben hat aber du sagst zb ich werde für einen netten Menschen gehalten… das ist quatsch. Du BIST ein toller Mensch, du wirst nicht nur dafür gehalten!! Ich bin über deine Formulierung gestolpert, weil sie sehr viel weniger überzeugt klingt als die negativen Formulierungen.
    Aber das nur am Rande. Ich finde mich mal wieder total in deinen Zeilen wieder, auch wenn natürlich nicht alle Sachen bei mir gleich ablaufen sind. Du hast mir voraus, dass du schon viel mehr Sachen erkannt und aufgearbeitet hast wie es scheint… daraus kann ich echt viel lernen und dafür danke ich dir sehr 🙂

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