„Du isst wie ein Junge“ – Voruteile als Faktor für Essstörungen

Kennt ihr das, wenn es kein Problem gibt, aber andere es zu einem machen? So ging es mir mit meinem Essverhalten noch vor Ausbruch meiner Essstörung. Ich möchte mit euch einen Faktor für meine Essstörung mit euch teilen, der mein damaliges gesundes Essverhalten betraf.

Mein Essverhalten war schon immer „anders“ .

Als Kind aß ich angeblich zu wenig und als Jugendliche zu viel. Ich erinnere mich noch gut an eine Klassenfahrt, als die Mädels aus meinem Zimmer und ich gemeinsam frühstücken und ich viel mehr aß als sie. Sie waren verwundet darüber, dass ich mir eine dritte Müslischale nahm. Auch mein damaliger Freund war sehr sportlich aktiv, aß jedoch weniger als ich.

„Du isst wie ein Junge“.

Ich aß tendenziell mehr als meine Freundinnen und etwa genauso viel wie meine männlichen Freunde. Beide Parteien zogen mich mit meinem großen Hunger auf – die Männerwelt amüsierte sich darüber, die Frauenfeld belächelte es. Niemand meinte es böse, und doch kam es mir vor, als würden sie mich verurteilen.

Inzwischen weiß ich, dass jene Bemerkungen ein Faktor für meine spätere Essstörung waren.

Eine Essstörung entsteht nicht über Nacht, sondern schleichend, bis sie sich wie ein Schatten an das selbst kettet. Viele unscheinbar kleine Momente spielen dabei eine immense Rolle. So auch diese. Dass mein Essverhalten angeblich „falsch“ war, prägte mich. In der Therapie erzählte ich später, dass ich immer zu viel gegessen hatte, weil ich dachte, dass es so war. Daher fiel es mir schwer wieder in mein „normales“ Essverhalten zu rutschen.

Jedes Essverhalten ist anders.

Inzwischen weiß ich, dass jeder Körper individuell ist. Die einen essen mehr, die anderen weniger. Die einen sind hungriger, die anderen satter. Das eine muss nicht richtiger sein als das andere. Wir sollten nicht vorschnell urteilen, wenn andere essen als wir. Es muss nicht das „richtige“ und falsche geben.

Mit diesen Worten starte ich in die neue Woche und wünsche euch einen schönen Montag ♥

16 Kommentare zu „„Du isst wie ein Junge“ – Voruteile als Faktor für Essstörungen

  1. Immer wieder interessant, zurück in die Vergangenheit zu blicken und sich an solche Bemerkungen zu erinnern! Das Vergleichen war schon immer tödlich… 😀 Wer weiß, ob deine Freundinnen sich nicht auch zurückgehalten haben und eigentlich viel mehr essen wollten. Heutzutage, in unser Diät-geprägten Kultur, kann man sich doch gar nicht mehr sicher sein, wer ein „normales“ Essverhalten hat und wer essgestörrt ist.

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    1. Danke für deinen Kommentar! 🙂 Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass die anderen unaufrichtig waren (zum Beispiel glaube ich das bei den Jungen, von denen sich viele verpflichtet gefühlt haben „wie ein Junge“ zu essen). Und da Diäten leider nicht mehr nur was für Erwachsene sind, kann man sich in der Tat nicht sicher sein!

      Liebe Grüße!

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  2. In meinem Elternhaus wurde immer behauptet, andere Leute würden riesige Portionen vertilgen während „wir nur so wenig brauchen und deshalb nur kleine Portionen essen“… Die kleinen Portionen waren der Grund, dass ich als Jugendliche ständig hungrig war, eben weil ich mehr gebraucht hätte! Ich gab damals viel Taschengeld für Süßigkeiten und anderes Essen aus, weil ich daheim zu wenig bekam. Einfach mal ein Brot nehmen war auch nicht, die Lebensmittel waren alle rationiert! Trotzdem war mein Vater sehr oft auf Diät, weil er immer wieder zunahm. Meine Mutter aß immer nur wie ein Spatz und war dementsprechend dünn.

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    1. Ja, es ist wirklich krass, wenn man in die klassischen Rollen gedrängt wird. Oft können sie den gegenteilligen Effekt haben. Es ist schade, dass dass deine gesunde Entwicklung beeinträchtigt hat:( Liebe Grüße!

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  3. Sehr guter und erhellender Beitrag!
    Bei mir fing es damit an, dass ich frühentwickelt war und damit angeblich einen zu dicken Po hatte. Plötzlich galt ich als dick. War damals aber völlig normal. Aber Essen und Figur war plötzlich Thema.

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  4. Ich finde es sehr interessant wie viele Parallelen ich immer zu meiner eigenen Geschichte finde.. mir wurde auch immer gesagt, dass ich zuviel esse. Vorallem von meinen Eltern… im Vergleich zu einigen Freundinnen habe ich auch wirklich viel mehr gegessen, ich war dennoch trotzdem immer die dünnste. Also offensichtlich brauchte mein Körper das einfach. Trotzdem warfen mir meine Eltern immer wieder vor ich würde zu viel essen. Weder sie noch ich hätten allerdings gedacht, dass ich mal eine Essstörung bekommen würde. Aber jetzt nachträglich setzen sich die ganzen kleinen Teile zusammen

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    1. Danke für deinen Kommentar! Ich hätte damals auch niemals gedacht, dass diese kleinen Sticheleien ein Grund dafür sein würden, mein gesundes Essverhalten als falsch zu erachten. Es ist verrückt, wie viele kleine Momente schließlich eine Essstörung bezwecken.

      Liebe Grüße!

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  5. Ach Gottchen, wie ißt denn ein Junge? Sowas habe ich umgekehrt ja noch nie gehört – worüber sich Leute den Kopf zerbrechen, scheint manchmal unglaublich.
    Hast Du Dir noch mehr anhören müssen?

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  6. Ich lese gerade das von Sternenkratzer auf meinem Blog empfohlene Buch von Resch und Tribole zum intuitiven Essen. Kann ich sehr empfehlen. Da geht es darum, wie man zurück zu natürlichem Essverhalten findet und Essen nicht mehr mit Schuldgefühlen verbindet. Ist echt ganz toll.

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