„Liebe Anna, ich habe eine Essstörung…“ – 5 Schritte, wie ihr eine „Beichte“ als Brief vermitteln könnt

Es ist nie leicht sich vor anderen Menschen zu öffnen, vor allem, wenn es um psychische Krankheiten geht. Ich möchte euch hier anhand eines Beispiels zeigen, wie ihr eine Beichte als Brief vermitteln könnt!

Meine Freundin (ich nenne sie mal „Anna“) begleitet mich bereits seit vielen Jahren. Sie ist ein sehr lieber und toleranter Mensch und kommt mir immerzu mit sehr viel Verständnis entgegen.

Daher traute ich mich mit der Zeit, ihr persönliche Gedanken anzuvertrauen. Sie wusste seit einer ganzen Weile, dass ich in Therapie war. Und obwohl ich die funkelnde Neugier in ihren Augen sah, respektierte sie mein Schweigen und fragte nie nach dem Grund.

Irgendwann wollte ich es ihr erzählen.

Die Frage war nur wie?  „Hey, ich habe eine Essstörung“, kam mir einfach nicht über die Lippen. Und der Gedanke daran, sie dabei ansehen zu müssen, gefiel mir auch nicht. Am liebsten wollte ich ihr einen USB Stick an den Kopf anschließen und die Information wortlos darauf übertragen. Doch so leicht war das nicht.

Also schrieb ich einen Brief.

Ich ließ mir Zeit, verfasste mehrere Entwürfe und verwarf sie wieder. Dann begann ich von vorn. Erzählte von den Ursachen, Auslösern und vom Verlauf. Ich beschrieb, wie es mir jetzt ging und wie sehr ich mich davor fürchtete mein Geheimnis mit anderen zu teilen. Das Wort Essstörung mit der Hand zu schreiben, fiel mir deutlich leichter, als es laut auszusprechen.

Hier meine 5 Schritte, wie ihr eine „Beichte“ als Brief vermitteln könnt:

Schritt 1: Nimm dir ein Blatt Papier und setze dich an einen ruhigen Ort.

Schritt 2: Mach dir Stichpunkte über all das, was du sagen willst.

Schritt 3: Fang einfach an zu schreiben und kümmere dich nicht um die Schrift oder weitere ästhetische Gründe.

Schritt 4: Lies dir den Brief in Ruhe durch, überarbeite ihn ggf. und schlafe ruhig noch eine Nacht drüber.

Schritt 5: Schick den Brief ab, aber nur, wenn du auch wirklich willst. Lass ihn in deiner Tasche und wirf ihn erst dann ein, wenn du dir sicher bist.

Ich schickte den Brief ab.

Und wartete. Und wartete. Nach einigen Tage schrieb sie mir eine Nachricht, die nicht süßer hätte sein können. Sie sagte mir, wie überrascht und gerührt sie war, als sie den Brief las. Sie gab zu, dass sie diese Beichte etwas überrumpelt hatte, weil sie nicht im Geringsten damit gerechnet hatte. Vor allem aber dankte sie mir für das Vertrauen, dass ich ihr schenkte. Mir fiel ein unglaublicher Stein vom Herzen.

Nun weiß sie auch von meiner Essstörung.

Und manchmal reden wir darüber. Sie nimmt Rücksicht darauf, wenn ich ihr sage, dass ich lieber nicht Pizza essen will und mustert mich nicht abschätzig, wenn ich doch Pizza essen will. Dass sie es weiß, erleichtert mein Leben, weil ich eine Person weniger belügen muss.

Briefe sind tolle Medien, um unangenehme Nachrichten zu vermitteln.

Sie sind persönlich und doch ohne unsicheres Gebrabbel und zwanghaftes Herumspielen mit den Händen. Ich finde sie äußerst hilfreich, wenn es darum geht, etwas Unangenehmes zu beichten.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ich euch dazu animieren will, eure liebsten per Einschreiben abzuservieren, aber ich denke ihr wisst, was ich meine 😉

Habt ihr mal etwas per Brief „gebeichtet“? Wenn ja, wie war das für euch?

5 Kommentare zu „„Liebe Anna, ich habe eine Essstörung…“ – 5 Schritte, wie ihr eine „Beichte“ als Brief vermitteln könnt

  1. Was für eine schöne Idee, liebe Mia! – So als „Beichte“ habe ich noch keinen Brief formuliert. Sehr wohl aber enthalten manche meiner Briefe (allerdings nur an ganz wenige menschen) durchaus Dinge, die ich vorher schon viele male durchdacht habe und bei denen ich es als gut und entlastend empfinde, wenn ich sie ERST einmal aufschreiben kann.

    Seltsamerweise geht es mir aktuell erstmalig (Du weißt) auch einmal „andersrum“, so, dass ich denke, ich könnte etwas gar nicht so zu Papier bringen oder auch „nur“ telefonisch ausdrücken – sondern NUR in einem direkten Gespräch. Das ist mir vormals noch nie passiert. – Ich denke aber, dass das schon sehr besonders ist.

    Grundsätzlich finde ich die Schreib-/Briefvariante eine sehr gute. Vor allem auch, weil man sich damit und dabei Zeit lassen kann, Formulierungen auch noch einmal überdenken und gegebenenfalls verändern.

    Da ist noich etwas, was ich Dir zu diesem Eintrag hier sagen möchte. Aber das mache ich „auf anderem Wege“

    Ganz liebe Abendgrüße an Dich! ❤

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    1. Danke für deine Worte, lieber sternfluesterer! Tatsächlich kann ich die andere Form auch sehr gut verstehen. Es ist wohl nie leicht etwas schweres „auszudrücken“ , ob nun von angesicht zu angesicht oder per Brief! Aber die Hauptsache ist, dass es wenigstens eine Form der ehrlichen Kommunikation gibt!

      Liebe Grüße! ❤

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  2. Ich bin auch eine große Schreiberin 🙂 tausendmal lieber schreibe ich etwas auf als zu telefonieren oder etwas ins Gesicht zu sagen. Ein Brief ist sehr persönlich, aber schafft auch Distanz, der Empfänger kann sich in Ruhe auf das Gelesene einlassen und wird nicht überrumpelt. Er kann sich auch überlegen, wie er mit dem Inhalt umgeht und ist nicht überfordert.

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