„Essen, weil es eben da ist!“ – Auslöser für Essanfälle #4

„Warum hast du das gerade gegessen?“, fragt eine wütende Stimme in mir.

Weil es eben da war“, antworte ich schulterzuckend.

„Hattest du überhaupt Hunger?“

„Nein.“

„Aber warum? Du magst das Essen doch nicht einmal gern.“

„Ja, aber es war eben da.“

„Es war eben da? Bist du wie ein Tier, das etwas sieht und sich nicht beherrschen kann?“

„Ja.“

So in etwa sieht es in meinem Kopf aus, wenn ich in einen Essanfall gerate, weil das Essen eben da ist.

„Wie – eben da?“

Eben da halt. Nicht von mir gekauft, aber trotzdem da. Zum Beispiel, wenn ich Süßigkeiten geschenkt bekomme (Ostern und Weihnachten sind da besonders schlimm).  Auch wenn ich irgendwo eingeladen bin und dort Essen serviert wird. Oder aber, wenn ich bei meinen Eltern bin und der Kühlschrank dort deutlich voller und kulinarischer ist, als mein eigener. Obwohl ich keinen Hunger habe, will oder besser gesagt muss ich es essen.

Aber warum etwas essen, was man nicht mag?

Weil eine Essstörung nicht logisch denkt. Sie isst einfach. Natürlich nicht das, was sie absolut nicht ausstehen kann, aber zum Beispiel etwas, was sie nicht selbst kaufen würde, aber trotzdem irgendwie essbar ist.

Deshalb bin ich nicht gern an Orten, in denen es von Essen wimmelt.

All you can eat Restaurants, Grillparties, Geburtstagsessen. Selbst bei mir zu Hause oder bei Freunden zu Besuch. Dort ist immer das, was es nicht auch bei mir gibt.

Ich vermeide Situationen und Orte, an denen das Essen mich triggert.

Auch wenn mir einige Psychologen entschieden widersprechen würden, kann ich nur sagen, dass es für mich besser ist, “triggernde Nahrung”, also das, was ich am wenigsten kontrollieren kann, nicht im Haushalt zu haben. Meine Therapeutin sagte damals, dass das der falsche Ansatz sei, weil man lernen müsse, das Essen zu kontrollieren. Aber nach 5 Jahren Recovery kann ich euch sagen, dass die Sache nicht damit gegessen ist, dass ich mich widerstandslos meinen Essanfällen hingebe.

Es ist besser für mich, wenn ich nicht zur Grillparty gehe, wenn ich von vornherein weiß, dass ich ohne jegliche Kontrolle essen werde. Es ist besser für mich den Schokoosterhasen sofort zu verschenken oder gnadenlos in den Müll  zu schmeißen, wenn ich weiß, dass ich ihn unabhängig von Appetit und Hunger wie ein Tier verschlingen würde. Wenn ich mir selbst kein Limit setzen kann, gehe ich dem Essen aus dem Weg. Andernfalls esse ich, weil es „eben da“ ist.

Schritt für Schritt aus der Essstörung raus.

Ich versuche mich derzeit an einer neuen Strategie, die besagt, dass ich mich vorsichtig an ein Produkt rantaste. Zum Beispiel das „böse“Brot mit den ach so vielen Kohlenhydraten. Ich begann sehr vorsichtig. Zunächst kaufte ich ein einziges Brötchen. Dann eine Packung mit wenigen Scheiben (mache ich immer noch). Igendwann konnte ich es auch bei Freunden verzehren. Und wenn ich das Gefühl dafür verlor, machte ich eine Pause. Bis ich mich vorsichtig rantastatete.

Das gleiche mit Käse. Angefangen mit einer einzigen Sorte i  Kühlschrank mit nicht vielen Scheiben. Ich weiß, dass diese meist tuerer sind, aber meine Gesundheit und die Vorbeugung eines Essanfalls ist es mir wert.

Inzwischen kann ich sogar Schokolade in meinem Haushalt haben – vorzugsweise dunkle – in meinem Beitrag Nervennahrung: Bitterschokolade erzähle ich euch ein bisschen darüber!

Kennt ihr das Phänomen, dass ihr etwas esst, weil es „eben da“ ist? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Hier meine anderen Beiträge der Reihe „Auslöser für Essanfälle“:

Stress – Auslöser für Essanfälle #1

Sport-Druck – Auslöser für Essanfälle #2

Futterneid – Auslöser für Essanfälle #3

9 Kommentare zu „„Essen, weil es eben da ist!“ – Auslöser für Essanfälle #4

  1. Ich habe wohl ein bisschen eine andere Situation. Ich nehme Tabletten zum Einschlafen (weil ich ohne die nicht schlafen kann) und dann bekomme ich immer Heisshunger und je mehr Essen da ist, desto mehr „Lust“ bekomme ich. Von demher finde ich es schon sinnvoll, wenn man nicht zuviel Essen bei sich zuhause hat. Ausgenommen vielleicht Dinge, die man nicht sofort Essen kann wie Zutaten, etc.

    Liebe Grüsse

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    1. Oh, wie interessant! Dann kannst du das ja tatsächlich ein wenig nachvollziehen, essen zu wollen, weil das Essen eben da ist…hast du mal überlegt auf Medikamente umzusteigen, die nicht diesen Nebeneffekt haben?

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  2. Ich kenne diese Strategie und nutze sie auch! In letzter Zeit habe ich jetzt darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht genau der falsche Ansatz ist. Vielleicht sollte es genau anders herum sein und man sollte einfach ALLES im Haus haben, worauf man Lust hat. Irgendwie ist mir beim Lesen deines Beitrags nämlich auch der Gedanke gekommen, ob du Lust hast etwas zu essen, weil du es dir eigentlich (vielleicht auch unterbewusst) verbietest. Wenn man aber alles zulässt, alles zu essen, wenn man drauf Lust hast, also gar keine Einschränkungen mehr macht, dann geht der Reiz etwas Bestimmtes zu essen, sicherlich auch irgendwann verloren. Ich glaube, nur der Anfang ist schwer, weil man am Anfang sicherlich sehr durcheinander isst. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Körper einem nach einer Weile sagt, was er braucht und man dann wieder Lust auf „Gesundes“ bzw. frisches Essen hat, nicht nur Süßkram.

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    1. Es geht ja bei einer Essstörung nicht nur um den Reiz sondern um die „Gewohnheit“ oder eher den Zwang, bestimmte Gefühle und Druck mit Essen abzutöten. Das was du ansprichst, funktioniert vielleicht bei gesunden Menschen oder solchen dir schon fast ganz von der Essstörung geheilt sind. Stimmt schon, je mehr man sich verbietet, desto mehr Druck und Esszwang entsteht. Aber das hat auch damit zu tun, dass man allgemein zu wenig isst, wenn man noch in der Störung drin ist und man dann, wenn das Fass überläuft eben wieder alles in sich reinstopft. Zuerst muss man das lösen und überwinden und erst dann kann man anfangen, aufzubauen und solche Esswaren wieder daheim haben. Das ist zumindest meine Erfahrung. Ich esse unter Stress immer noch zu viel Süsses. Daher hab ich davon möglichst wenig daheim. Das funktioniert bestens. Warum soll man auch viel Süsses daheim haben. Ist eh nicht gesund. Ich will das gar nicht.

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    2. Danke für deinen wichtigen Kommentar! Das zeigt sehr schön auf, wie unterschiedlich die Präventionsmaßnahmen ausfallen können. Ich kenne auch einige, die genau das versuchen und erfolgreich damit sind.

      Tatsächlich habe auch ich diese Weise immer wieder versucht, aber immer die Kontrolle verloren. In meinem Fall weiß ich manchmal nicht, auf was ich/mein Körper Lust hat und was meine Essstörung will. Ihre Stimme ist außerdem immer dominanter und sobald etwas da ist, dass sie will, ist es vorbei mit der Kontrolle.
      Klar, dadurch verbiete ich mir auch das, was ich manchmal will, aber in diesem Fall tue ich es, um mich zu „schützen“. Essen ist eine Droge, auf die man nicht verzichten kann. Man muss lernen mit ihr umzugehen und das funktioniert für mich am besten Schritt für Schritt.

      Liebe Grüße!

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  3. Kenne ich auch und passiert mir auch heute noch. Und ich ziehe es auch vor, lieber nichts Süsses daheim zu haben oder eben nur wenig. Fast jeder Mensch isst mehr Süsses wenn er welches daheim hat. Dann ist es doch gut, sich einfach auszutricksen. Sogar mein Freund hat eine Riesenprinzensrolle weggeworfen weil er sonst jeden Tag davon gegessen hätte 😂

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  4. Ich kann Süßigkeiten horten, seit ich mit T. zusammenwohne 🙂 Er hat früher sehr viele gegessen, da war z. B. ein Fünferpack Mars in nullkommanix inhaliert, wenn ich Glück hatte, bekam ich noch eins ab 😀 Seltsamerweise hat das gut funktioniert, ich habe von den Vorräten fast nichts gegessen, wohl weil ich mehr Disziplin habe als er. Ich kann eins essen und dann ist Schluss, er vertilgt aber gleich die ganze Packung. Allerdings hat er es auch leichter mit seinen 1,92 m, bei ihm setzt nix an.

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