Emotionale Gewalt ist auch Gewalt

Emotionale Gewalt – was wissen wir darüber? Kennen wir sie überhaupt? Nehmen wir sie wahr, wenn sie uns angetan wird?

Neben körperlicher Gewalt gibt es auch emotionale Gewalt. Die eine hinterlässt sichtbare Narben, die andere seelische. Doch ob sichtbar oder nicht spielt keine Rolle. Gewalt ist Gewalt. Auch emotionale.

Es ist mir ein sehr wichtiges Anliegen darüber zu schreiben, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass emotionale Gewalt zu wenig thematisiert wird!

Wie definieren wir Gewalt?

Das Wort Gewalt stammt aus dem Hochdeutschen und bedeutete „stark sein“ oder „beherrschen“. Klingt im ersten Moment gar nicht so „schlimm“, oder? Und doch ist die Begriffsgeschichte kein Grund für ein Phänomen, dass es schon seit Menschengedenken gibt und bestimmt in nahezu jeder Kultur vertreten ist.

Es gibt viele Formen von Gewalt – Machtausübung, Ausgrenzung, körperliche/emotionale Verletzung. Es gibt auch verschiedene Motive – Rache, Wut, Macht, Unterwerfung. Fest steht, dass Gewalt ein bestimmtes Ziel hat: jemanden zu verletzen.

Emotionale Gewalt ist dabei besonders spannend, weil zu selten über sie diskutiert wird. Denn oft bemerken wir sie kaum.

Warum erkennen wir emotionale Gewalt zu selten?

Ich glaube, dass unser allgemeines Bild von Gewalt ein noch sehr optisch Brutales ist. Wir denken an blaue Flecken, Blut oder oder Schlägereien. Was uns allerdings dabei entgeht, sind all jene Wunden, die die Seele zeichnen und im Alltag so oft passieren, dass wir kaum mitzählen können. Hier ein paar Beispiele:

„Das kleine Mädchen steht angstbebend neben seiner Mutter: Die ist gerade im Wohnzimmer umgefallen. Einfach so. Sie spielt tot, um ihre Tochter zu bestrafen. Oder: Eine Oma hört auf mit ihrem Enkelkind zu sprechen. Tagelang. Und da ist der Liebhaber, der sich einfach nicht mehr meldet, für mehrere Wochen abtaucht, um dann mit einem Blumenstrauß vor der Tür zu stehen. Auf die Nachfragen der Frau reagiert er mit einem Vorwurf, ihr Klammern sei krankhaft.“

Am schwersten ist es emotionale Gewalt bei uns selbst zu erkennen.

Ich kann von mir selbst sagen, dass es mir unheimlich schwer fällt, emotionale Gewalt als solche anzuerkennen. Oft kommt sie nämlich von unseren engsten Vertrauten; den Menschen, die wir lieben und die uns lieben. Das gleiche mit toxischen Beziehungen – zu selten und zu spät merken wir, dass wir uns in einer befinden.

Fügen wir anderen manchmal emotionale Gewalt zu?

Bei diesem Thema muss ich unweigerlich darüber nachdenken, ob ich manchmal auch emotional gewalttätig bin. Natürlich denken die meisten von uns, dass sie es nicht sind, aber mal ehrlich: wer glaubt schon von sich, dass er/sie durch und durch gut ist?

Kränke ich Menschen? Vielleicht manchmal. Wenn ich sauer bin und etwas sage, dass ich im Nachhinein bereue.

Erpresse ich sie emotional? Nein. Mit Erpressung habe ich absolut nichts am Hut.

Demütige ich sie? Auch nein. Besonders in der Öffentlichkeit achte ich stark darauf, die Kirche im Dorf zu lassen. Manchmal sogar zu stark.

Bestrafe ich sie? Vielleicht unbewusst. Wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, ziehe ich mich schnell zurück. Manchmal bin ich so stur, dass ich nichts von mir hören lasse und verdränge die Tatsache, dass ich sie mit meinem Schweigen indirekt bestrafe.

Mir diesen eigenen Spiegel vorzuhalten, war erschreckend. 

Aber somit habe ich herausgefunden, dass ich auch kein Engel bin. Natürlich muss ich das auch nicht sein, schließlich machen wir alle Fehler; aber ich möchte trotzdem niemandem emotionale Gewalt antun.

Emotionale Gewalt hat nicht nur psychische, sondern auch physische Folgen!

Die psychischen Folgen reichen von Depressionen bis hin zu Angststörungen. Doch auch die körperlichen Folgen sind gravierend:

„Ihre Folgen sind nach außen zunächst nicht sichtbar. Dabei ist seelische Gewalt nichts anderes als körperliche. Beides wird in denselben Regionen des Gehirns verarbeitet. Stresshormone werden vermehrt ausgeschüttet. Die Schmerzschwelle ist niedriger, und die Immunabwehr ist geschwächt – was wiederum häufig zu erhöhten Entzündungswerten im Körper führt und daraus resultierend zu Herzkreislauferkrankungen.“

Ein Buchtipp: „Emotionale Gewalt“ von Werner Bartens

Während meiner Recherche habe ich sehr oft den Buchtipp von Werner Bartens gelesen. Deutschlankfunkkultur thematisiert in meiner Quelle sein Buch und hat meiner Meinung nach viele intelligente Ansätze, um emotionale Gewalt besser zu verstehen. Ich habe es inzwischen gelesen und kann es euch sehr empfehlen.

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Seid nett zueinander. Fügt euch gegenseitig keine Gewalt zu! ♥

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16 Kommentare zu „Emotionale Gewalt ist auch Gewalt

  1. Wow! Ich kann gerade gar nicht richtig schreiben, liebe Mia. Warum?

    Es hat mich gerade ziemlich überwältigt, dass Du dieses ebenso wichtige wie vernachlässigte Thema hier ansprichst.

    Es hat mich obendrein wirklich sehr persönlich berührt, dass und wie Du Deine eigene Position, Dein eigenes Verhalten mit Blick auf emotionale Gewalt reflektiert hast und wie ehrlich und kritisch Du dabei wieder einmal gewesen bist.

    Emotionale Gewalt ist ein sehr, sehr sensibles Thema. – Jetzt, während ich Eintrag hier las, wurde mir das wieder sehr bewusst. Einige meiner eigenen Therapieerfahrungen haben mir vermittelt, warum das so ist und, dass insoweit, glaube ich noch viel, viel falsch gemacht wird.

    Ich muss das alles wirklich erst einmal sacken lassen.

    Aber ich bin sehr, sehr dankbar, dass Du diesen Eintrag geschrieben hast!

    So viele Herzen kann man hier ja nicht „ungestraft“ posten, wie Du ja weißt 😉 – dafür stelle Dir dieses ❤ bitte ganz, ganz groß vor!

    Liebe, sternfluesternde Grüße an Dich!

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    1. Oje, hoffentlich habe ich dich jetzt nicht allzu sehr aufgewühlt! Dieses Thema ist aber auch ein sehr „krasses“ und lässt bei mir auch immer einen bitteren Geschmack ausstoßen…Danke für deinen mitfühlenden Kommentar, lieber sternfluesterer! ❤

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      1. Aufgewühlt oder nicht, es ist so gut, so schön, dass Du das hier thematisiert hast. Denn das Thema ist so allumfassend, es betrifft letztlich die Art und Weise unseres Umgangs, also unsere Kultur (sic!!!!), den/die wir untereinander und miteinander pflegen. – Wann aber wird bei Diskursen über Kultur das Thema „emotionale Gewalt“ mitgedacht? – Das ist doch noch wie ein großes weißes Feld! Und Du hast hier darauf aufmerksam gemacht!

        Genau das illustriert freilich Deinen Charakter“ (auch deshalb schrieb ich im ersten Kommentar von „persönlichem berührt Sein“)) und deshalb war das Herz unter meinen Gedanken oben auch ein extra großes! 😉

        Und Du bekommst jetzt glatt noch eins! ❤

        Natürlich wieder nur ganz liebe Grüße!

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  2. Grrr.. ich hasse mein Internet, ich glaube mein sehr ausführlicher Kommentar wurde nicht versendet. Also noch mal in kurz: ich merke auch auf der Arbeit und im Kinderschutz immer wieder, dass emotionale Gewalt viel zu wenig berücksichtigt werden kann. Obwohl man bei jeder Fortbildung lernt, dass diese auch fatale Folgen haben kann, sind einem immer wieder die Hände gebunden, weil man sie so schlecht beweisen kann und nicht sieht. Und im Privatleben ist es ähnlich. Emotionale Gewalt wird oft bagatellisiert und runter gespielt. Man traut sich gar nicht sich Hilfe zu holen, wenn man betroffen ist. Als Betroffener merkt man ja oft, dass etwas nicht stimmt, aber man redet es schön und oder klein.

    Deshalb ein ganz toller Beitrag mit einem sehr wichtigen Thema 🙂 vor allem ist es toll, dass du auf dich selbst blickst. Wenn jeder das eigene Verhalten ein wenig reflektiert ist schon mal ein wichtiger Schritt getan

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    1. Oh, wie lieb, dass du ihn trotzdem nochmal geschrieben hast! Danke für deine Worte! Damit, dass sich emotionale Beweise weniger gut erfassen lassen, weil sie nicht handfest sind, hast du eine erschreckende und trotzdem sehr wichtige Ergänzung geteilt! Emotionale Gewalt sollte niemals runtergespielt oder nicht ernst genommen werden!!

      Liebe Grüße!

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  3. Hey, das ist wirklich ein sehr wichtiges Thema. Es ist traurig, dass das immer noch zu kurz kommt, denn die Auswirkungen sind oft gravierend. Ich finde es ganz schlimm, wenn die emotionale Gewalt heruntergespielt wird. Leider widmen auch Personen in sozialen Beruf diesem Thema zu wenig Aufmerksamkeit. Als Betroffener kann man das zusätzlich oft nur schwer in Worte fassen. Anders bei einem körperlichen Angriff, der sichtbar und gesellschaftlich als Trauma anerkannt wird, werden emotionaler Psychoterror und Verletzungen oft in ihrer Bedeutung vernachlässigt.

    Oft sind es gar nicht die Worte, die so schrecklich wirken, es sind die Gefühle und Emotionen die unbewusst oder ganz BEWUSST vermittelt werden. Außenstehende erkennen dies oft nicht richtig.

    Sagt eine Mutter zu ihrem Kind „Du stehst im Weg“ wirkt das in der Erzählung harmlos. Das Kind kennt seine Mutter aber besser als Außenstehende. Wenn die Mutter dem Kind als gefühlsmäßig vermittelt „Ich wünschte, du wärst nicht hier“, „du nervst mich“, „wegen dir habe ich zusätzlichen Aufwand“, ist das alles tieftraumatisch. Das Kind bekommt Schuldgefühle und schämt sich.

    Wenn Menschen dann behaupten, das Kind würde überinterpretieren, ist das einfach nur widerlich. Kinder werden wohl kaum neurotisch geboren. Kinder haben sehr feine Antennen.

    Emotionale Gewalt betrifft Erwachsene natürlich genauso. Auch hier ist diese von Außen oft nur schwer fassbar und greifbar. Das macht das Ganze so schwierig. Mitunter gibt es Menschen, die Andere noch so verwirren können, dass die emotionale Gewalt lange unerkannt bleibt.

    Danke für den Artikel zu diesem so wichtigen und unterschätzten Thema!

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    1. Danke für deine lieben Worte! Du hast eine wunderbare Ergänzung dazugebracht, nämlich, dass nicht nur Worte für emotionale Gewalt ausschlaggebend sein müssen, sondern auch Emotionen/Gefühle/Zustände, die eine Person in uns hervorruft.

      Liebe Grüße!

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  4. Meine Therapeutin hat mir wiederholt erklärt, dass emotionale Gewalt bzw. emotionaler Missbrauch ebenso traumatisierend wirken können wie körperliche oder sexuelle Gewalt.
    Anfangs fiel es mir schwer, ihr das zu glauben. Ich denke, das hängt viel damit zusammen, dass in unserer Gesellschaft weniger über diese Art der Gewalt gesprochen und aufgeklärt wird als über andere Formen. Zum Glück scheint da aber in den letzten Jahren ein Wandel eingesetzt zu haben.
    Zudem ist emotionale Gewalt leider schwierig nachzuweisen, sofern es keine Zeugen außer den Beteiligten gibt. Das alles macht es Tätern wohl leichter, ihrem Opfer einzureden, dass doch nichts Schlimmes passiert sei, man sich doch nur anstellen würde usw … Oder die Wahrheit über das Geschehene wird gegenüber dem Betroffenen konsequent geleugnet oder verdreht (Stichwort Gaslighting).
    Sicher gibt es aber auch genug Menschen, die anderen nicht bewusst emotionale Gewalt antun, sondern die sich einfach nicht darüber im Klaren sind, was „nur Worte“ beim Gegenüber auslösen können … (soll keine Rechtfertigung sein).

    Lieben Gruß

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    1. Toll, dass deine Therapeutin dieses wichtige Thema mit dir besprochen hat! Ich kann gut verstehen, warum es anfangs schwer war emotionale Gewalt als „Gewalt“ einzustufen, aber das bedeutet natürlich nicht, dass sie nicht weniger gravierend ist. Ich verstehe auch deinen letzten Punkt, dass einige Menschen unbewusst verletzen…Ich weiß aber trotzdem nicht, ob das nicht auch schon zu emotionaler Gewalt zählt oder zu Selbstbezogenheit und Leichtsinn…

      Liebe Grüße!

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