Kalorienangabe auf der Speisekarte? „Nein, ich will gar nicht wissen, wie viele Kalorien mein Essen hat“

Bei einer Essstörung ist es oft unvermeidlich, irgendwann mit dem Kalorienzählen zu beginnen. Doch nicht nur Betroffene zählen sie – inzwischen hat es sich zu einer Art Trend etabliert. Sogar schon in Restaurants…

In den USA gibt es das Gesetz, die Kalorienangaben unter dem Essen anzuzeigen.

Es ist eine Vorschrift der Gesundheitsreform, um gegen das Übergewicht und die Fettleibigkeit im Land „anzukämpfen“. Sie gilt nicht in allen Bundesstaaten, aber in vielen von ihnen.

Vor einigen Monaten war ich in den USA und machte erstmal Bekanntschaft mit dieser Regelung. Ich gebe zu, dass ich etwas irritiert war. Die Vorfreude auf das Essen in den Staaten war nämlich ziemlich groß. Endlich mal reinhauen, dachte ich mir. Endlich mal ein paar Gerichte probieren, die es zum Teil gar nicht in Deutschland gibt. Doch die Praxis sah anders aus, denn fast immer, wenn ich mir die Kalorienangabe der Gerichte ansah, machte ich instinktiv einen Rückzieher. Bei mir funktionierte diese „Schocktherapie“ also wunderbar, allerdings weniger wegen gesundheitlicher Vorsorge, sondern mehr, weil ich in eine Art Zwang rutschte.

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Meinem Freund, der an keine Essstörung leidet, hatte ähnliche Gedanken dazu. Auch er rang immer wieder mit sich, den Muffin nun zu bestellen oder nicht. Es ist nämlich die eine Sache, einfach nur zu essen und zu genießen, aber eine völlig andere, sich mit den Inhaltsstoffen und seinem Körper zu befassen.

Ich finde diese Regelung mit meiner Essstörung nicht hilfreich, sondern eher bedenklich.

Schließlich geht es bei der Heilung darum, keine Kalorien mehr zu erzählen. Mein Ziel ist nicht mehr rank und schlank zu werden, sondern gesund zu sein. Gesund zu sein, und ein gesundes Körpergefühl zu haben. Wissen, wann ich etwas essen will, was mein Körper braucht und was nicht.

Außerdem erstellt es wieder das berühmte Feinbild: „Dicke sind ungesund.“

Ja, natürlich haben einige dicke Menschen gesundheitliche Beschwerden, aber längst nicht alle. Außerdem bedeutet Übergewicht nicht, dass jemand nur Fastfood zu sich nimmt. Mit dem Drang das „Dicke“ bekämpfen zu wollen, können für dicke Menschen viele Folgen entstehen – fehlender Selbstwert, fehlendes Selbstbewusstsein…Das gilt im Übrigen für alle Menschen mit jeder Körperform.

Aber hilft dieser Regel überhaupt?

Im Internet habe ich keine Andeutungen antworten gefunden. Studien sind wohl unentschlossen, ob es die Bürger wirklich sensibilisiert. Meiner Meinung nach muss die Gesundheitsreform andere Mittel finden, um den Konsum von Fastfood und die daraus resultierenden Beschwerden zu beheben. Das Problem ist schließlich nicht gelöst, wenn ich mich für den Donut mit den wenigsten Kalorien entscheide.

Gesundheit ist mehr, als nur die bloße Kalorienangabe. Gesundheit bedeutet nicht, ein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn man sich etwas Kalorienreiches gönnen will. Gesundheit ist ein gesunder Körper und eine gesunde Seele! ❤

Wie seht ihr den? Findet ihr diese Regelung sinnvoll? Oder eher bedenklich?

12 Kommentare zu „Kalorienangabe auf der Speisekarte? „Nein, ich will gar nicht wissen, wie viele Kalorien mein Essen hat“

  1. Ich finde Kalorienangaben Humbug. Viel besser wäre es gesund und ohne chemischen Schnickschnack oder Ersatzstoffe zu kochen und backen, normale Portionen anbieten und nicht alle Platten und Teller zu überladen. Das gestörte Verhältnis zu Essen und Body gibt mir zu denken. Die Kalorienzählerei sowieso! Wir haben die innere Balance verloren und meinen stets irgendwelchen Ess-Päpsten nachrennen zu müssen. Das ganze ist in die Absurdität abgerutscht. Ich selbst habe Übergewicht, leide seit Jahrzehnten am Hashimoto Syndrom, bin sonst leidlich fit und gesund, nicht ganz konsequente Vegetarierin, und ich will KEINE Diät machen. Was glaubst du wieviele Menschen mir ungefragt Ratschläge erteilen und dann ganz erstaunt sind, dass ich so wie ich bin, eigentlich ganz happy bin?!

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  2. Die Sache bei Kalorienangaben ist ja auch, dass es ein total relativer Wert ist. Also beispielsweise bei Obst/Gemüse schwankt der tatsächliche Kaloriengehalt je nach Sorte und Nährstoffgehalt im Boden des Wachsortes um bis zu 70% und selbst bei Fertigprodukten sind bis zu 15% mehr oder weniger möglich. Auch werden je nach Messung andere Werte festgestellt, weshalb sich die Angaben teilweise immer wieder ändern. Und um den eigenen Verbrauch zumindest halbwegs zu bestimmen, müsste man dauerhaft verkabelt und mit Atemmaske rum laufen. Und selbst das würde im Endeffekt ja auch nicht so viel bringen, weil man nicht genau wissen kann, wie viel man aufnimmt – egal, wie genau man es berechnet.
    Will sagen: Kalorienangaben sind totaler Humbug – zumindest in der Theorie, mein Kopf spinnt da ja auch oft ziemlich herum. Aber diese Frontalgesellschaft, die nach dem Motto: „Oh, schau wie viele Kalorien XYZ hat und hab ein schlechtes Gewissen“ kann meiner Meinung nach nicht gesund funktionieren.
    Besser fände ich eine allumfassende Aufklärung und Edukation zum Thema Essen, die kostenfrei für alle verfügbar ist und sich auf die einzelnen Lebensumstände der Menschen einstellt: wie viel Zeit/Geld/Bewegung und so weiter haben sie und was ist dementsprechend möglich? Was braucht der einzelne Mensch? Und natürlich das Angebot an nährenden Dingen attraktiver machen, als das Angebot von „Spaßessen“ – jedoch beides nicht als besser oder schlechter bewerten. Ein schlechtes Gewissen sorgt ja meist eher zu noch größerem Heißhunger auf das „böse“ Essen.

    Also – zu deiner Frage – dieses System finde ich unglaublich dämlich und fragwürdig!

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  3. Kalorien haben mich bei meiner damaligen „erfolgreichen“ Diät auch nicht interessiert. Die Inhaltsstoffe waren mir wichtig. Gesundes Essen braucht keine Zutatenliste. Ein Muffin der keinen Mehrwert außer einem „guten“ Geschmack und haufenweise Kalorien liefert ist kein Segen für den Körper

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