Was wir alle vorher hätten wissen sollen: Essstörungen können sich verschieben

Ich höre immer wieder, wie Betroffene darüber klagen, dass sie Angst haben, von der Magersucht ins Binge Eating zu rutschen – die Essstörung also nicht zu besiegen, sondern nur ins andere Extrem zu verschieben. Was sie nicht wissen ist, dass dieser Prozess nicht ungewöhnlich ist. Essstörungen können sich verschieben.

Vor Kurzem habe ich einen Beitrag über a-typische Essstörungen veröffentlicht. Das Echo, das darauf folgte, hat mir klargemacht, dass offenbar viel mehr an a-typischen Essstörung leiden, als andersherum. Bei a-typischen Essstörung ist es nämlich durchaus so, dass sich die Form der Essstörung verschieben kann und man sich zum Beispiel in einem „Mischmasch“ von anorektischem und bulimischen Verhalten befindet. Manchmal ist diese Zwischenphase der Übergang in eine andere Form.

Bei mir war es genauso. Erst war ich anorektisch, dann bulimisch. Dann rutschte ich wieder ins Binge Eating und zwischenzeitlich wieder in die bulimische Schiene. Nie war ich gesund, ich hüpfte nur von einer Form in die nächste. Es war traurig und frustrierend, denn mir hatte das vorher niemand gesagt. Ich wusste nicht, dass der Weg der Heilung mir so viele Steine in den Weg legen würde. Doch genau wie die Heilung ist die Form der Essstörung nicht linear.

Ursachen für die Verschiebung der Essstörung

Viele wollen genesen, gehen aber dennoch den falschen Heilungsweg an. Sie wollen zwar wieder gesund werden, aber bloß nicht weiter zunehmen oder immer viel naschen. Wenn das der Fall ist, sind sie nach wie vor zu tief drin und begreifen noch nicht, dass sie vielmehr tun müssen, um an ihrem Essverhalten zu arbeiten.

Es muss aber auch keinen bestimmten Grund geben. Essstörungen sind halt so – heimtückisch und intrigant. Es kümmert sie nicht, wie stark euer Leid ist, wenn es ihnen nicht passt, ändern sie ihr Gesicht.

Manchmal verschiebt sich die Essstörung sogar, wenn ihr auf dem richtigen Weg seid. Ihr kommt aus der Magersucht raus, esst aufgrund von Extremhunger viel und rutscht plötzlich ins Binge Eating. Auch das kann passieren.

Das Verschieben der Essstörung ist kein Rückschritt.

Ich will nicht sagen, dass es „normal“ ist, aber es kann durchaus passieren. Auch, wenn ihr euch nach allen Kräften bemüht, die Heilung anzusteuern. Manchmal macht die Essstörung eben ein paar blöde Umwege, um ans Ziel zu kommen. Aber mit jedem Tag, an dem ihr es versucht, selbst wenn ihr an diesem Tag einen Rückfall hattet,  wird es besser.

Essstörungen können, aber müssen sich nicht verschieben.

Natürlich gibt es bei Essstörungen nie allgemeingültige Aussagen für alle. Vielleicht verschiebt sich eure Form und ihr rutscht in eine andere, vielleicht nicht. Vielleicht wird es für diejenigen, die nicht davon wussten, leichter sein, damit umzugehen. Denkt daran, dass es wie gesagt kein Rückschritt, sondern nur ein Zwischenstopp (hoffentlich ein kurzer) auf dem Weg in Richtung Heilung ist!

Psychische Krankheiten können sich auch verschieben.

Vor zwei Jahren wurde mir erst so richtig bewusst, wie psychisch meine Essstörung eigentlich ist. Sie ist ein Symptom – für meinen Stress, meine Sorgen, meine Ängste. Werden diese Ursachen nicht richtig behandelt, können sie als neue Erscheinungen auftreten – in meinem Fall als Angst- und Zwangsgedanken. Ich hatte zwar meine Essstörung wieder halbwegs im Griff, aber das Große und Ganze noch nicht. Deshalb gilt es nicht nur das „Essverhalten“ zu „reparieren“, sondern auch den Rest – die Seele!

Kennt ihr das, wenn sich die Form der Krankheit verschiebt? Nicht nur in Bezug auf die Essstörung, sondern generell?

PS.: Mein Jugendbuch „Zwischen meinen Worten“ ist jetzt erhältlich.

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4 Kommentare zu „Was wir alle vorher hätten wissen sollen: Essstörungen können sich verschieben

  1. Hallo, bei Zwangsstörungen gibt es leider bei manchen Betroffenen ein ähnliches Phänomen: Ist ein persönliches „Zwangsthema“ überwunden, man freut sich darüber und denkt vielleicht nichtsahnend, man sei jetzt geheilt, ploppen dafür neue Zwänge auf, die man vielleicht nicht direkt als solche erkennt, weil die anders sind als die vertrauten. Ich kenne diese Symptomverschiebungen von mir selbst und erlebe es als ermüdend. Aber nun gut, vielleicht ist das auch ein Zeichen dafür, dass irgendetwas weiterhin im Argen ist, z. B. in der Lebensführung, im Umgang mit Stresssituationen etc….

    Liebe Grüße

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    1. Danke für die Ergänzung- ich kann mit gut vorstellen, dass es bei Zwängen genauso ist! Aber wie du schon sagst, zeigen sie nur, dass sie ein Symptom für was anderes ist, dass es eigentlich zu überwinden gilt!

      Liebe Grüße!

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