Therapien sind nur dann effektiv, wenn sie anstrengend sind

Therapien sind nervenaufreibend, zeitintensiv, beängstigend, und nur dann effektiv, wenn sie anstrengend sind.

Ein ziemlich harter Satz, oder? Und doch meine ich ihn mit jeder Silbe ernst. Etwas, das uns förmlich quält und den letzten Nerv raubt, kann vielleicht das Einzige sein, das uns wirklich rettet.

In letzter Zeit ist die Therapie extrem anstrengend.

So anstrengend, dass ich gar keine Lust mehr habe, hinzugehen. So anstrengend, dass ich danach immer ausgelaugt und müde bin. Müde, die Tränen zu unterdrücken oder meine verdrängten Gefühle zum Vorschein kommen zu lassen. Manchmal will ich am liebsten aufstehen und gehen, so hilflos und allein fühle ich mich.

„Was wollen Sie dagegen unternehmen?“

Inzwischen hasse ich diese Frage. Ich öffne mich meiner Therapeutin, erzähle ihr von meinem Dilemma und sie fragt MICH, was ich tun will? Ich weiß es nicht, deshalb rede ich ja darüber. Ich will einen Rat, einen Tipp, eine Lösung. Wüsste ich ihn, müsste ich nicht mit ihr darüber reden.

Und doch überlässt sie es mir, die Entscheidung zu treffen. Ich zucke mit den Schultern, antworte, dass ich es nicht weiß, und sie verlangt trotzdem, dass ich eine Lösung finde. Das ist anstrengend. Sehr anstrengend sogar. Und effektiv.

Anstrengend, aber effektiv.

Wenn ich auf die letzten drei Monate zurückblicke, dann habe ich mehr Erkenntnisse gesammelt, als im ganzen Jahr. Ich habe ein Tief überwältigt und mich vor weiteren Tiefs bewahrt. Ich habe negative Glaubenssätze abgelegt und neue erschaffen. Ich habe viel geweint, den Ton erhoben, unruhig herumgezappelt und wollte nur noch weg.

Doch in dieser harten Zeit habe ich viel erreicht. Während ich gepusht wurde, bin ich allein zu Lösungen gekommen. Obwohl ich mich allein fühlte, hatte ich eine Person, die mir dabei half, meine Gedanken in verschiedene Richtungen zu lenken. Und das hat mich zu folgendem Schluss geführt:

Eine Therapie muss anstrengend sein. 

Ist sie es nicht, dann ist sie vermutlich auch nicht effektiv. Sich seiner Vergangenheit stellen ist anstrengend. Sich seinen Gefühlen stellen ist anstrengend. Sich neuen Glaubenssätzen stellen ist anstrengend. An sich zu arbeiten ist kein Spaß und bedeutet immer Arbeit.

Der Therapietag ist nicht mein liebster Tag, aber dennoch der Wichtigste in dieser Woche. Deshalb habe ich mir davor und danach nichts mehr vorgenommen. Therapiestunden können sehr nervenaufreibend sein und danach sollte man sich Ruhe verordnen. Ich bewundere es daher sehr, wie Menschen mit einem Vollzeitjob und anderen Verpflichtungen, beispielsweise einer Familie, trotzdem noch zur Therapie gehen und an ihrer Gesundheit arbeiten.

Ist die Therapie nicht anstrengend, ist sie nicht effektiv.

Falls ihr das Gefühl habt, dass die Therapie bloß nett oder okay ist, aber nicht aufwühlend oder anstrengend, dann könnte es sein, dass sie nicht effektiv ist. Ich würde euch daher raten, mal mit eurer therapeutischen Person darüber zu reden und sie notfalls zu wechseln. Nicht, dass ich euch bewusst quälen möchte, aber meiner Meinung nach ist eine „seichte“ Therapie, die nur im Babybecken vor sich hinplantscht, nicht hilfreich.

Was ist eure Meinung dazu? Findet ihr auch, dass Therapie anstrengend sein MÜSSEN?

Falls euch das Thema interessiert, hier ein ähnlicher Beitrag: Was bringt überhaupt eine Therapie?

11 Kommentare zu „Therapien sind nur dann effektiv, wenn sie anstrengend sind

      1. Ich glaube im Prozess ist man immer, wenn man depressiv ist. Aber ich hatte ein paar Augenöffner in meiner zweiten Therapie, die mir schnell Erleichterung brachten, weil ich von außen auf die Situation gucken konnte.

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  1. Puh, schwierig. Grundsätzlich stimme ich dir zu, aber ich glaube, dass es ein schmaler Grat ist zwischen Die Therapie ist anstrengend und Die Therapie ist so anstrengend, dass sie mich kaputt macht.
    Ich hatte eine Therapeutin, die mochte ich gern, ich habe mich ihr sogar recht gut öffnen können. Trotzdem ging es mir mit jeder weiteren Sitzung schlechter als vorher. Oft haben die Therapietermine zu Tagen voller Selbstverletzungen geführt; und Schrittchen für Schrittchen ging es mir immer schlechter. Das habe ich aber erst erkannt, als es gezwungenermaßen eine 8-wöchige Therapiepause gab. Es ging mir schlagartig besser. In dieser Therapiepause habe ich für mich wichtige Erkenntnisse erlangt und mich stabilisiert – und so war es mit jeder weiteren Therapiepause danach. Denn die Therapie beendet habe ich nicht, ich war trotzdem gut zwei Jahre bei ihr in Therapie. Stimmen wie „Aber Therapie muss anstrengend sein, du brauchst eine Therapie und das ist halt Arbeit!“ waren immer stärker als meine Intuition, die mich förmlich angebrüllt hat, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen.
    Das kann also auch gefährlich sein, zu viel aushalten zu wollen und zu spät (oder, noch schlimmer, gar nicht) einzuschreiten, wenn es zu extrem wird. Trotzdem ist eine Therapie natürlich kein Spaziergang, sondern harte Arbeit – psychisch wie auch körperlich.

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    1. Ja!! Super wichtige Ergänzung! Das Ziel einer Therapie ist es natürlich nicht, sich kaputt zu machen und sich danach noch schlechter zu fühlen. In deinem Fall kann ich total verstehen, warum die Therapie nicht hilfreich, sondern belastend für dich war. Langfristig soll die Therapie einem ja auch helfen und wohl fühlen soll man sich ja auch immer. Was ich mit meinem Beitrag eigentlich sagen wollte, warm dass Therapien kein „Spaß“, sondern sehr kräftezehrend und gewissermaßen anstrengend sein können. Ich hoffe sehr, dass du, falls du nochmal eine Therapie machen solltest, auf diene innere Intuition hören wirst. 🙂

      Liebe Grüße!

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  2. Ich war in einer Tagesklinik für Traumapatienten und habe mir unter diesem Grundsatz erfolgreich meine eigenen Grenzen dort einreißen lassen. Wir mussten von unseren Traumaerlebnissen detailliertest berichten, verbal und schriftlich, mit Aspekten wie Gerüchte, Geräusche etc. und ich habe alles mitgemacht unter dem Credo, ich müsse dieses Leid durchlaufen und diese Scham ertragen. Schlussendlich kündigte mir mein behandelnder Therapeut weniger Tage vorher seinen 3-Wöchigen Urlaub an, nachdem ich ihm alles erzählt hatte. Das ganze hatte monatelange, desaströse Auswirkungen. Ich hatte dann ein tolles Gespräch mit einer Frau vom Krisendienst, die mir sagte, dass ich dort auch enorm über meine eigenen Grenzen hinweggegangen sei und das stimmt. Das blinde Vertrauen war leider nicht angebracht.
    Man muss also einen Mittelweg finden.
    Ja, Therapie kann anstrengend sein, aber Therapeuten können auch missbräuchlich sein und dann ist das schlechte Gefühl berechtigt und kommt nicht aus der „Arbeit“ an der Seele heraus.
    (Damit meine ich jetzt nicht deine Therapeutin! Sondern generell, dass man wohl sehr in sich hineinhorchen muss: Geht es mir jetzt schlecht weil es in mir arbeitet, oder überschreitet mein Therapeut meine Grenzen und schadet mir?)
    Diese Balance ist sicher nicht leicht. Übt aber das Wahrnehmen der eigenen Grenzen, das allein ist ja oft bereits ein Problem! („Will ich das überhaupt?“- Manchmal gar nicht so leicht zu beantworten.)
    Ich habe das Gefühl, meine Therapie wirkt immer „nach“, anstrengend wird es manchmal in der Woche nach dem Therapietag.
    Andererseits muss ich sagen, dass ich in der Therapie selbst so extrem von meinen Gefühlen dissoziiere, dass alles zum Bericht wird und ich nur eine Hülle. Gefühle in der Therapie sind oft weg. An diesem Problem wollen meine Therapeutin und ich jetzt arbeiten.
    Sie geht meiner Meinung nach sehr behutsam vor, aber wir haben die richtige Chemie und sie stellt die richtigen Fragen zum Nachdenken.
    Durch meine Geschichte von der Tagesklinik ist es ihr sehr wichtig, mich eigentlich nicht zu hart zu drängen. Ich denke aber, auch über den sanften Weg kommt man ans Ziel, es geht ja darum, dass der Patient neue Betrachungsweisen einnimmt und eben die richtigen Fragen gestellt werden… 🙂 Also denke ich…aber sogesehen ist meine Therapie ja schon auch anstrengend, nur eher unterschwellig..

    LG

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    1. Du hast völlig recht!! Es gibt einen großen Unterschied zwischen „Die Stunde war anstrengend“ und „Die Person verlangt zu viel von mir ab“. Deine Erfahrung klingt wirklich schlimm und überhaupt nicht hilfreich, im Gegenteil!

      Ich glaube auch, dass „sanfte“ Methoden helfen können. Aber auch diese können – je nach Thema – sehr „intensiv“ werden. Therapien sind glaub ich nie etwas „Chilliges“, dass man so neben der Arbeit mal macht.

      Liebe Grüße!

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      1. Genauso ist es. Ich hatte ja nach meiner Klinikzeit auch einen eher „sanften“ Therapeuten. Dennoch waren etliche Sitzungen sehr anstrengend für mich. (Und nicht nur, weil ich sie zwischen Familie, Beruf und sonstigen Verpflichtungen „eintakten“ und an mir arbeiten musste, obwohl mich das manchmal als solches schon an Grenzen geführt hat.)) Und dann waren da auch die Zeiten zwischen den Sitzungen. Nicht selten waren die besonders schwierig, die zwischen eher „leichteren“ Sitzungen lagen.

        Wer eine Therapie ernst nimmt, für den wird sie immer „Arbeit“ und also anstrengend sein. Ich denke, das ist der Schlüssel. Manchmal braucht es einen enormen Leidensdruck bis es soweit ist.

        Mit dem Erfolg ist es dann nochmal eine sehr spezifische Sache.

        Jedenfalls ist der dann ganz fern, wenn Therapien etwa so angelegt sind, den Klienten erst einmal „zu brechen“ – so war es nach meinem und dem Empfinden etlicher weiterer Patienten während meines Klinikaufenthalts.

        Es kommt also sehr auf die Art der Anstregung an …

        Ganz liebe Grüße an Dich, liebe Mia! 💖

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      2. Das stimmt, lieber sternfluesterer. Es kommt auf die „Art“ der Anstrengung sein – letztendlich soll die Therapie immer noch helfen!!

        Danke für deine Ergänzung und liebe Grüße! ❤

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