Essstörungen haben nichts mit Essen zu tun!

Bei einer Essstörung dreht sich für Betroffene nahezu das ganze Leben ums Essen oder nicht Essen. Und obwohl ich immer wieder dazu motiviere, über den Tellerrand hinauszuschauen, möchte ich es in diesem Beitrag nochmal in aller Deutlichkeit betonen: Essstörungen haben eigentlich nichts mit Essen zu tun.  

Ich habe schon oft darüber nachgedacht, dass das „Ess“ im Wort so irreführend ist. Natürlich denken wir automatisch an Essen, insbesondere sich die Symptomatik der erkrankten beim Thema Essen wiederfindet. Aber das ist zu klein gedacht.

Nur die Droge

Wir haben kein Problem mit dem Essen, wir haben ein Problem, das wir mit dem Essen (oder nicht essen) kompensieren. Unsere Seele hat einige Wunden, und da es kein Pflaster für psychische Verletzungen gibt, suchen wir uns bestimmte Wege, um den Schmerz zu lindern. Manchmal sind das die falschen Wege. Das Essen ist in dem Fall nur das Medium, die Droge, wenn man so will.

Nichts da Essen!

Dass Essstörungen nichts mit Essen zu tun haben, sage ich deshalb nochmal in aller Deutlichkeit, weil mir scheint, dass sich die Recovery häufig auf das Thema Essen fokussiert. Natürlich ist es wichtig, Fear Food wieder in sein Leben zu lassen. Natürlich möchte man aus dem Teufelskreis der Essanfälle heraus – aber das geht eben nur, wenn wir nach der wahren Quelle suchen.

Denn ohne – und ich sage das jetzt absichtlich sehr dramatisch – entkommt ihr niemals dem Teufelskreis der Essstörung? Warum? Weil die Ursache des Problems nicht das Essen ist!

Mein Beitrag Heißhungerattacken und Essanfälle? – Iss dich satt! ist ein gutes Beispiel dafür, dass es bei Essstörungen um mehr geht als um Essen. Alle Menschen mit Essstörungen werden das Problem kennen, nicht nach Hungergefühl, sondern nach eigenen auferlegte Regeln zu essen. Weil man nicht zu viel essen will -> und dann zunimmt -> und sich dann hässlich fühlt -> und dann weniger wert fühlt.

Und da haben wir es. Es ist der Selbstwert, um den wir uns eigentlich kümmern müssen, und nicht das Essen. Tun wir dies, halten wir weiter an der Essstörung fest und fallen womöglich noch tiefer in den Teufelskreis.

Innere Verletzungen und Essen im Einklang

Und versteht mich nicht falsch, natürlich ist das Thema Essen nicht völlig irrelevant! Aber in der Recovery muss es eben beides geben – das Heilen der inneren Wunden und das Wiedererlernen von Essen.  Wenn ihr euch nur auf eines konzentriert – insbesondere dem Essen, fallt ihr früher oder später immer wieder zurück.

Ich glaube, dass deshalb lange der Verdacht bestand, dass man Essstörungen sein Leben lang hätte. Aber das stimmt nicht. Nicht, wenn man die Wurzel am Schopf packt, anstatt bloß immer wieder das Unkraut zu jäten.

Vermutlich wissen das viele von euch bereits, aber ich wollte es euch trotzdem als kleinen Reminder mitgeben. Verbeißt euch nicht bloß aufs Essen (Wortspiel unbeabsichtigt) – seht das große Ganze.

Wie???

Wie heile ich bloß meine inneren Verletzungen? Wie setze ich irgendwo ein Pflaster, wenn ich die Wunde nicht sehe? Woher weiß ich, welches Pflaster das Richtige ist?

Und genau deshalb rate ich euch immer zu Therapien oder Coachings. Außenstehende „Expert:innen wissen einfach oft mehr als man selbst und helfen uns ganz individuell dabei, die Essstörung hinter sich zu lassen.

Ansonsten hilft es, sich viel mit dem Thema auseinanderzusetzen, z.B. in Form von Blogs – höhö – oder Büchern – doppel höhö – oder Podcasts, Zeitungsartikeln, Dokus whatever. Je mehr ihr darüber erfahrt, desto höher die Chance auf Gedankenanstöße zu kommen, die euch weiterhelfen können.

Tauscht euch auch unbedingt mit anderen aus! Essstörungen sind sehr einsame Krankheiten und die Last ist viel leichter, wenn ihr sie nicht allein tragt. ❤

Zum Abschluss ein ehemaliger Insta Post von mir, in dem ich dazu motiviere, sich selbst immer zu hinterfragen, um der eigentlichen Ursache auf den Grund zu gehen:

9 Kommentare zu „Essstörungen haben nichts mit Essen zu tun!

  1. Meiner Meinung nach ist das Hauptproblem, dass vieles Essbare einfach zu gut schmeckt! Wäre es nicht so, würde keiner zuviel essen. Die meisten essen nicht aus Hunger, sondern aus Appetit, Als ich mal länger wo gelebt habe, wo mir das Essen nicht schmeckte, war ich hinterher 10 Kilo leichter!

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      1. Hm, schwer zu sagen, ob das auf alle zutrifft! Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind auch oft nicht mit dem Essen aufhören konnte, weil es so lecker war. Und damals hatte ich nicht wirklich psychische Probleme, die kamen erst später. Auch jetzt geht es mir gut, aber ich muss mir ständig auf die Finger klopfen, damit ich nicht zuviel esse… Eigentlich geht „normal“ essen gar nicht, weil ich dann sofort fett werde, ich muss immer irgendwie und irgenwo einschränken, sonst gehe ich auf wie ein Hefekloß 😦

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  2. So ein unglaublich wichtiger Beitrag!
    Ich habe oft das Gefühl, dass viele Betroffene sich auch nur mit Essen oder Nicht-Essen ablenken – also nicht nur in der Krankheit, sondern auch in der Recovery, um die darunter liegenden Probleme nicht zu sehen. Und da will ich mich auch gar nicht raus nehmen, eher im Gegenteil. Ich bin auch Meisterin darin, mich selber mit augenscheinlichem zu beschäftigen.

    Und klar, es ist super wichtig, auch das Essverhalten auf der Gesamtebene zu normalisieren – also aus dem starken UG kommen, regelmäßig essen, nicht kompensieren, auch mal aufhören lernen und so weiter – aber nur auf der Essebene kann man eine Essstörung einfach nicht heilen.

    Liebe Grüße! ♥

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    1. Dankeschön!! 🙂 Bei deinem letzten Absatz stimme ich dir auf jeden Fall zu. Aber ich glaube, man muss verstehen, dass man das Eine nicht ohne das anderen kann. Man muss sich wieder ans Essen wagen, aber man muss sich auch auf das beziehen, was dahintersteht! Liebe Grüße!

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      1. Dass man das Eine nicht ohne das Andere kann, wollte ich auch gar nicht sagen. Im ersten Block meinte ich hauptsächlich, dass die Beschäftigung mit dem Thema Essen (auf Essstörungsebene) auch als Ablenkung von darunterliegenden Themen sein kann (aber eben auch nicht muss).

        War vielleicht ein wenig uneindeutig formuliert 🙂

        Liebe Grüße!

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  3. Ich habe am Wochenende in einem Park ein Frau wahrgenommen, die in Begleitung war. Die junge Frau war so abgemagert. Das ich sie als alt wahrgenommen habe. Nur noch Haut und Knochen. Glücklich fühlte sie sich nicht, denn sie hatte ein sehr trauriges Gesicht.

    Es macht mich traurig wie weit es mit einem gehen kann. So zu leben.

    Gruß Michael

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