Depression und Lethargie: Wenn du die leichtesten Sachen nicht mehr hinkriegst …

… dann weißt du, dass es dir nicht gut geht.

Denn wenn du bei den vermeintlich „simpelsten“ To-Do’s prokrastinierst; wenn du das Schreiben einer einfachen E-Mail ewig aufschiebst, keine Kraft dafür aufbringst, um ein Paket zurückzubringen oder einzukaufen, aufzuräumen … – sind Geist und Psyche endgültig erschöpft.

Das Problem ist, dass wir uns dafür oft selbst fertigmachen, nach dem Motto: „Wie konnte ich nicht einmal diese Kleinigkeit hinkriegen?“ Aber lasst mich was sagen:

Die kleinen Dinge sind oft die schwersten.

Anhand meiner letzten Beiträge wisst ihr ja vielleicht, wie hart die letzten Monate für mich waren. Ich bemerkte es lange selbst nicht, weil ich trotz allem „funktionierte“. Aber als ich die kleinen To-Do’s immer mehr häuften und ich irgendwann die Hilfe meiner Schwester brauchte, um eine kleine E-Mail für mich zu verfassen, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Tatsächlich war auch sie es, die mich darauf hinwies, dass die einfachsten Kleinigkeiten die schwersten sein können.

Warum? Keine Ahnung. Vielleicht, weil man sie leichter aufschieben kann – anders als die großen Dinge, die man sofort anpacken muss.

Gestern hatte ich eine Diskussion mit meinem Freund, der sich darüber ärgerte, dass ich mich nicht um gewisse „Pflichtimpfungen“ gesorgt hatte, die ich für unsere kommende Reise brauche.  Er habe mich doch ständig daran erinnert und nun sei es zu spät … Seine Worte verletzten mich sehr, denn obwohl ich wusste, dass er recht hatte, und ich mit den fehlenden Impfungen meine Gesundheit riskierte, hatte ich es einfach nicht geschafft. Weil die kleinen Dinge nun mal die schwersten sind.

Doch ich versuchte lieb mit mir zu sein, und mich daran zu erinnern, dass es nicht die Faulheit oder Verplantheit war, die mich von jenen To-Do’s abhielt – sondern mein psychischer Zustand.

Lethargie

Körperliche und seelische Trägheit sind ein typisches Symptom für depressive Zustände. Die Betroffenen sind nicht faul – sie können einfach nicht. Die Lethargie hält sie fest im Griff, und je nachdem wie ausgeprägt sie ist, kommen sie auch gar nicht so schnell da raus. Aus diesem Grund bringen „Kümmere dich darum“-Vorwürfe auch nicht, denn die Lethargie erschwert einem diesen Vorsatz.

Was mir hilft:

Unterstützung vom Umfeld

Wenn ich es nicht mehr alleine schaffe, dann hilft es mir, wenn mich meine Liebsten unterstützen. Wenn sie mir bei E-Mails helfen, beim Zurückbringen eines Pakets, beim Einkaufen, oder sonstigen Kleinigkeiten, die andernfalls ewig liegenblieben .

Natürlich muss ich am Ende allein helfen, aber die Unterstützung meiner Liebsten ist wie ein Seil, das mir dabei hilft, mich aus meinem tiefen Loch zu ziehen.

Falls ihr jemanden kennt, der sich gerade ebenfalls in eine depressiven Episode befindet und mit „Kleinigkeiten“ struggelt:

Unterstützt sie!

Bietet eure Hilfe an, begleitet sie zu Terminen, die sie andernfalls nicht wahrnehmen würden, helft ihnen mit Kleinigkeiten, wenn ihr die Kapazitäten habt und sie nicht.

Verurteilt sie nicht!

Denn egal, wie albern euch der Zustand vorkommen mag, Prokrastination ist echt ein Ding, und hat nicht immer was mit Faulheit zu tun.

Haltet ihnen auch nichts vor. „Hättest du mal eher …“ -Phrasen bringen ihnen nichts, denn sie können die Vergangenheit ja nicht ändern. Am Ende fühlen sie sich nur noch schuldiger.

Und an die Betroffenen selbst:

Fragt um Hilfe!

Traut euch, Raum einzunehmen. Traut euch, um die Hilfe zu fragen. Niemand wird euch dafür den Kopf abreißen; meiner Erfahrung nach freut sich das Umfeld, wenn es nicht nur hilflos zusehen, sondern auch helfen kann. Denn für sie sind die Kleinigkeiten tatsächlich Kleinigkeiten.

Ich bin unendlich dankbar für meine Liebsten.

Mein Kreis ist wahrhaft nicht groß, aber ich weiß, dass es 3,4 Menschen gibt, auf die ich mich immer verlassen kann, mir Hilfe abnehmen und mich nicht verurteilen. Und ich hoffe sehr, dass ihr auch jemanden habt, der euch auffängt.

Kennt ihr das Phänomen, wenn einem die kleinsten Dinge schwerfallen und o lang aufgeschoben werden, bis sie große Dinge werden?

Habt ein schönes Wochenende! ❤

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8 Kommentare zu „Depression und Lethargie: Wenn du die leichtesten Sachen nicht mehr hinkriegst …

  1. Dies zu lesen, ist wie in einer warmen, friedlichen Hülle geborgen zu werden. Da ist keine Verurteilung, da sind keine „Ratschläge“, da ist Verstehen, da ist Empathie und da ist eine Hand, die sich mir entgegenstreckt.

    Dein Text ist so sehr DU … –

    Liebste Grüße! 💖

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  2. Vielen, lieben Dank für diesen Beitrag. Du glaubst gar nicht wie Du mir hilfst damit. Ich halte das „um Hilfe bitten“ auch für gut und richtig um wieder Platz zu bekommen in die richtige Spur zu kommen.

    Ich habe hier allerdings mehrere fürchterlich schlechte Erfahrungen machen müssen. In einem Fall habe ich jemanden gebeten mir etwas zu besorgen. Die Person hatte mich vorher gefragt, ob sie denn helfen könne, weil ich so unglücklich wirke. So bat ich sie um die Besorgung. Sie hat das zwar getan, präsentierte mir aber den Gegenstand mit der Rechnung und der Aussage, dass bei dem Geld noch kein Benzingeld dabei wäre. Sie hätte ja schließlich extra wegen der Sache in die Stadt fahren müssen.

    In einem anderen Fall bat ich wegen der von Dir beschriebenen Ladehemmung darum, dass eine Person mir in einer für mich schlimmen Situation doch dabei sein möge. Einfach nur dabei sein. Daneben sitzen. Agieren würde ich selbst. Die Person lehnte ab. Mit der Begründung, wenn ich solche Sachen aus seelischen Gründen nicht hinbekäme, solle ich mir ärztliche Hilfe mit Medikamenten holen. Sie habe das auch getan und es habe geholfen.

    Ich weiß, dass man nicht von einigen Personen auf andere schließen kann. Aber ich war in beiden Situationen so verletzt und erschrocken von der feindseligen Reaktion, dass ich mich derzeit nicht mehr um Hilfe fragen traue und mich alleine durch quäle. Oder die Sachen eben nicht hinbekomme…

    Danke für´s zuhören

    Gefällt 1 Person

    1. Das tut mir wirklich so leid zu hören! 😦 Ich kenne es, wenn Menschen ihre Hilfe anbieten, es aber im Herzen dann doch nicht ernst meinen. Das ist immer sehr schade, weil man die Hilfeleistung dann gar nicht in den Raum stellen soll. Ich traue mich auch nicht, jeden um Hilfe zu bitten, aber bei den engsten zwei, drei Leuten schon. Ich hoffe sehr, dass du auch solche Menschen in deinem Leben hast oder welche finden wirst; und dich irgendwann auch wieder traust, nach Unterstützung zu fragen. Auf jeden Fall bist du mit diesen Gefühlen nicht allein! ❤

      Liebe Grüße!

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