Kennt ihr eigentlich das Phänomen „Ghosting“? Wenn eine Person, die ihr datet, einfach den Kontakt abbricht, ohne Klärungsgespräch, ohne alles? Die Autorin Dolly Alderton hat sich in ihrem neuen Roman „Gespenster“ unter anderem auch diesem Thema gewidmet und ein wunderbares Buch geschrieben.
Ich kannte bisher noch keine Bücher der Autorin, war aber immer besonders gespannt auf dieses, weil es sehr viel positive Kritik enthält. Allerdings möchte ich mir immer erst meine eigene Meinung bilden, um dann unvoreingenommen zu urteilen. Was ich jetzt schon definitiv sagen kann, ist, dass „Gespenster“ sich zu lesen lohnt.
Inhalt
Nina ist zweiunddreißig, eine erfolgreiche Food-Journalistin und einer der wenigen Menschen in ihrem Freundeskreis, die noch nicht verheiratet ist geschweige denn Kinder hat. Nach einer längeren Single-Pause beschließt sie, dem Online Daten eine Chance zu geben und lädt sich eine App runter. Max ist ihr erstes Date und beide scheinen von Beginn an voneinander angetan. Sehr schnell entwickelt sich zwischen ihnen eine intensive und gefühlvolle Beziehung, doch genauso schnell wie sie begonnen hat, endet sie auch abrupt, denn Max verschwindet von der Bildfläche wie ein Gespenst …
Doch neben Ninas Liebeskummer muss sie noch andere Lebenshürden überwinden: Die Reibereien mit ihrer Mutter, die Pflege ihres demenzkranken Vaters, ihr Ex, der wieder heiratet, ihr komischer Nachbar, der ihr das Leben zur Hölle macht – und überhaupt, was es bedeutet, in dieser Welt eine zweiunddreißigjährige Single Frau zu sein.
Rezension
Ich habe das Buch wie einen tiefen Atemzug aufgezogen und fast in einem Rutsch verschlungen. Es ist der Inbegriff einer Wohlfühllektüre, obwohl die Handlung hin und wieder einen überraschenden Tiefgang hat.
Ninas Beziehung zu Max ist ein Phänomen, das brandaktuell ist. In einer Generation, in der Ghosting als „normales“ Ende für eine Beziehung gilt und Menschen sich wie Kleinkinder verhalten, weil sie Angst haben, sich zu binden, trifft Nina den Zahn der Zeit.
Das Leben als dreißigjährige Singlefrau
Aber das Buch ist nicht ausschließlich Liebesbuch, sondern überhaupt eines, in dem es um den Alltag einer Single Frau in den Dreißigern geht. Ständig trifft Nina auf Situationen, die nur Personen ihres Alters, ihres Geschlechts oder ihres Singledaseins passieren. Obwohl ich noch nicht ganz dreißig bin und inzwischen auch nicht mehr Single, konnte ich mich trotzdem so sehr in die Protagonistin hineinfühlen. Nina ist eine unabhängige feministische Frau, aber auch sie sehnt sich nach Zuneigung und Liebe. Die enge Beziehung zu ihrem Vater ist besonders rührend, genau, wie es einem das Herz bricht, dass die Spannungen zwischen ihr und ihrer Mutter immer stärker werden. Auch das Thema Demenz und die Hilflosigkeit der Angehörigen wird sehr authentisch aufgezeigt.
Freundschaft
Mein Lieblingscharakter war ihre beste Freundin Lola, ein wunderbarer, lustiger und loyaler Mensch, der einem so sehr ans Herz wächst, dass man sich auch eine Lola in seinem Freund:innenkreis wünscht.
Toxische Beziehung
Obwohl die Beziehung zwischen ihr und Max einen sehr stabilen und gesunden Eindruck macht, stellt sie sich rückblickend als sehr toxisch heraus. Das Ende einer Beziehung sagt viel über die Beziehung selbst aus, und jemanden zu ghosten (mehrmals) und einfach so zu verschwinden ist definitiv toxisch.
Das Ende hat mir besonders gut gefallen. Da ich nicht spoilern will, möchte ich es nicht vorwegnehmen, aber nur so viel: es war authentisch und realistisch und doch auch sehr romantisch.
Kritik
Da ich das Buch so schnell gelesen habe, gibt es nicht viel, das ich daran kritisieren würde. Mir persönlich hat jedoch der Schreibstil nicht so recht zugesagt. Ich weiß zwar nicht, wie sich das Buch in der Originalsprache Englisch gelesen hätte, aber auf Deutsch wirkte er mir zu abgehakt und den Handlungsverlauf zu hastig zusammengefasst.
Was ich ebenfalls bemängeln würde ist, dass die Nebenfiguren zwar allesamt sehr gut ausgearbeitet wirken, aber die Protagonistin selbst nicht. Selbst nach dem Ende des Buches kann ich sie als Menschen noch nicht so recht einschätzen und weiß bis auf ihre Gefühle zu ihrem Vater und Max gar nicht so recht, wie sie eigentlich ist.
Die Beziehung zu Max war mir vor allem am Ende zu offen. Das war vermutlich bewusst so eingesetzt, aber ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass sie zumindest mental einen eindeutigen Schlussstrich zieht.
Ansonsten fand ich das Buch wirklich unterhaltsam und schön. Ich mag es, wenn Aufklärungsarbeit betrieben wird, ohne, dass gleich mit dem Finger auf eine Person gezeigt wird.
Absolute Leseempfehlung!
Ich kann euch „Gespenster“ von Dolly Alderton nur wärmstens empfehlen. Es ist ruhig und spannend zugleich, süß, aber nicht kitschig, realistisch, aber nicht traurig. Übrigens ist es auch ein Buch, das man ideal verschenken kann.
Witzigerweise hat mir der wp-Algorhythmus gerade eine zweite Rezension dieses Buches vorgeschlagen. Sehr spannend.
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Das ist wirklich lustig 🙂
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