Bei einem Streit nicht davon laufen, sondern die Person in den Arm nehmen – Selbsttherapie #9

Ich streite mich zwar nicht allzu oft, aber ich bin auch keine Heilige. Hin und wieder knallt es bei mir und dann kann ich sehr grob und verletzend werden. Ich habe mich nun an einer neuen Form von Selbsttherapie versucht und mal ausprobiert bei einem Streit nicht davon zu rennen, sondern die Person stattdessen bewusst in den Arm zu nehmen. 

Die Idee habe ich von meiner Freundin, die mir von diesem Konzept erzählt, es aber selbst nicht ausprobiert hatte. Ich fand diese Idee so spannend, dass ich sie im Hinterkopf behielt.

Bei Streit ist das erste, was ich brauche, Abstand.

Abstand von der Situation, Abstand von der Person. Wenn wir uns in einem Raum befinden, entferne ich mich am liebsten ein paar Meter, um einen kleinen Raum für mich zu erschaffen. Das letzte, was ich will, ist die Person zu berühren und so zu tun, als ob nichts wäre. Doch diesmal tat ich das genaue Gegenteil.

Nicht weglaufen, sondern in den Arm nehmen. 

Wie ich euch bereits erzählt hatte, war die Luft zwischen mir und meinem Freund im Urlaub etwas dick. Wir sprachen uns erst viel zu spät aus, aber als wir es taten, machten wir es anders, als sonst. Obwohl wir beide wütend waren, legten wir uns aufs Bett, nahmen uns in den Arm und starrten an die Decke, während wir unseren Streit ausdiskutierten. Manchmal setzten wir uns wieder auf, manchmal setzte sich nur einer auf, aber immer blieb der Körperkontakt bestehen. Wie hielten uns an den Händen oder am Arm. Wir spielten im Haar des anderen herum und und sprachen miteinander.

Durch die Berührungen erinnerte ich mich daran, wie sehr ich die Person mochte und dass bei einem Streit immer noch dieselbe Person dahintersteckt.

Wir waren zwar im Streit, aber er war mein Freund, der Freund mit all seinen lieben Eigenschaften, der Freund, der immer für mich da war, der Freund, der mir „die Welt zu Füßen legte“. Bei einem Streit vergaß ich das oft, denn dann war die Wut zu dominierend. Nicht jedoch, wenn ich seine Hand hielt oder ihn in den Arm nahm.

Unser Streit war kurz danach für beendet geklärt. 

Stattdessen sprachen wir miteinander, sprachen über den Konflikt und unsere Gefühle, als hätten wir über das Wetter gesprochen. Ruhig und angenehm. Ohne, dass der Puls in die Höhe schoss. Niemand ließ ein ausfallendes Wort durch den Raum hallen, niemand sagte aus Wut etwas, dass er/sie später bereute!

Aber Achtung: das funktioniert nicht mit jedem! 

Zwischen meiner Schwester und mir würde es niemals funktionieren. Wenn wir streiten, brauchen wir (vor allem sie) Abstand und da würde es Körperkontakt nur schlimmer machen. Es darf kein Zwang sein, denn (und auch das das kenne ich) eine erzwungene Umarmung gleicht einem Messerstich. Sie ist nicht richtig, wenn sie erzwungen ist.

Außerdem soll es auch nicht bei jedem funktionieren. 

Eine körperliche Berührung ist ein Stück weit auch Manipulation. Wenn vergangene, toxische Menschen in meinem Leben Zärtlichkeit zeigten, fühlte ich mich eingeengt und erdrückt. Berührungen wie diese verzerrten meine Wahrnehmung und gaben mir nicht den Raum auch mal wütend zu sein.

Deshalb ist dieser Form von Selbsttherapie auch individuell. Aber bei mit meinem Freund funktioniert es super. Und bei zwei meiner besten Freundinnen könnte ich mir auch vorstellen, dass es klappen würde.

Was ist eure Meinung dazu? Könnt ihr euch vorstellen jemanden bei einem Streit jemanden in den Arm zu nehmen?

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10 Kommentare zu „Bei einem Streit nicht davon laufen, sondern die Person in den Arm nehmen – Selbsttherapie #9

  1. Das ist ein sehr schöner Ansatz. Wenn ich vergangene Streitigkeiten reflektiere, war es oft wirklich so, dass es positiver verlief, wenn Körperkontakt da war. Meine Tochter z. B. sucht bei Konflikten vermehrt Körperkontakt. Klar, sie will sichergehen, dass ich sie trotzdem lieb habe. So geht es bestimmt vielen Menschen. Ich werde künftig auch mal bei anderen Personen (die mir lieb sind) darauf achten, bewusst „Liebe“ zu schenken. Auch, wenn ich eher zu den Menschen gehöre, die bei Konflikten auf Abstand gehen. Ich bin gespannt. Danke dir, liebe Mia!

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  2. Hallo 🙂
    Tatsächlich hatte ich mit meinem Freund neulich eine ähnliche Situation – wir haben zwar nicht wirklich gestritten, aber ich war von ein paar Dingen ziemlich verletzt und wollte es noch ansprechen, bevor er für längere Zeit nicht mehr da ist.
    Bei uns war es so, dass wir nebeneinander gesessen haben, erst ziemlich distanziert, wir dann aber beide Kontakt gesucht haben, erst nur mit der Hand auf dem Bein und später ineinander gekuschelt.
    Ich war anfangs unglaublich verletzt und hatte gleicht Angst, dass es total kracht, weil er eben am nächsten Tag weg war.
    Aber am Ende hat es sich gut angefühlt und es war nichts mehr, von der ursprünglichen Verletztheit und Wut da, einfach nur Traurigkeit, dass er bald weg ist und dass es blöd die letzten Wochen gelaufen ist.

    Aber auch sonst: ich finde, Umarmungen können unglaublich heilsam sein. Einfach weil man den anderen und seine Reaktionen nicht nur sieht, sondern auch direkt spürt und sich je nach Situation gegenseitig stürzt

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  3. Ich stimme dir rundum zu.
    Zärtlichkeiten im Streit können helfen, einen wieder auf das gemeinsame Ziel der Problemlösung aufmerksam zu machen, aber sie können eben auch zur Manipulation verwendet werden, um jemandem seine Argumentationsgrundlade abzusprechen oder ihm Schuldgefühle einzureden. Frei nach dem Motto „Du willst immer nur streiten, dabei bin ich doch sooooo lieb zu dir“, während sie tatsächlich nur den Status quo eben bequem finden und nicht wollen, dass man daran rüttelt…

    Aber, wenn die Zärtlichkeiten kommen mit einem beidseitigen Gefühl von „ich höre dich und nehme dich in deinen Bedürfnissen ernst und möchte gerne auf dich eingehen“, dann können sie etwas Wunderbares sein und können aus einem Streit eine produktive Diskussion über unerfüllte Bedürfnisse werden.

    Alles Liebe dir 🙂

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