Spielt Fremdschämen wirklich eine so große Rolle für mich?

Scham ist eine stechende Empfindung, die einen großen Einfluss auf uns und unser Verhalten hat. Aber gilt das auch bei Fremdschämen? Ich habe nach einem vergangenen Erlebnis in mich hineingehorcht und mir folgende Frage gestellt: Spielt Fremdschämen wirklich eine so große Rolle für mich?

Ich möchte mit euch hier über ein Thema sprechen, dass mir ziemlich unangenehm ist. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie sympathisch ich euch danach noch bin, aber es ist mir wichtig meine Gedanken und Emotionen zu hinterfragen; vor allem aber, würde ich gerne eure Meinung dazu hören!

Fremdschämen ist ein großes Wort mit einer großen Wirkung. 

„Sich für andere schämen“ – irgendwie komisch oder? Schon fast ein bisschen arrogant! Und doch spüre ich es manchmal in Bezug auf andere. Manchmal bei fremden Menschen, die ich nicht kenne, doch wie mir seit kurzem klar ist, auch manchmal bei Menschen in meinem Freundeskreis.

Schäme ich mich für meinen Freund?

Während meines Urlaubs auf Ibiza gab es die ein oder anderen Kriesel-Momente mit meinem Freund. Und da wir nie allein waren, hatten wir auch nicht die Möglichkeit uns auszusprechen. Fakt war, dass ich gelegentlich ziemlich wütend auf ihn war.

„Ich hatte das Gefühl, dass du dich die ganze Zeit für mich geschämt hast“, sagte mir mein Freund, als wir wieder zu Hause waren und uns endlich aussprachen.

„Was? Niemals! Ich mag dich doch, so wie du bist“, sagte ich sofort aus dem Affekt.

Aber war das wirklich wahr? Wenn ich den Urlaub nochmal reflektiere, bin ich plötzlich anderer Meinung.

Ja, es war mir peinlich von einer Horde betrunkener Menschen umgeben zu sein, die ziemlich „atzig“ drauf waren. Und ja, es war mir auch peinlich, dass mein Freund der lauteste und „atzigste“ von allen war. Es war mir peinlich, wie fremde Menschen seinen Gang und seine laute Lache imitierten. Es war mir peinlich, dass er auf unangenehme Weise anhänglich wurde. Manchmal war ich sogar so beschämt, dass ich sogar wütend auf ihn wurde. Verrückt, oder? Dabei hatte ich oft nichts mit der Situation zu tun. Ich schämte mich für jemand anderen, denn ich war die Freundin desjenigen, der so „peinlich“ war.

Aber liegt das Problem nicht eher an mir? 

Bin ich nicht die, die ein zu großes Problem mit Scham hat? Und dass es so ist, lässt sich eigentlich kaum leugnen. Ich empfinde Scham – sehr oft. Es geht sogar so weit, dass ich kaum weinen kann (weder vor mir noch vor anderen), weil die Scham davor derartige Schwäche zu zeigen zu viel für mich ist.

Und wenn ich für andere Scham empfinde, bedeutet das doch auch, dass es nicht an der Person liegt, sondern an mir. Weil die Scham in mir so groß ist, dass sie sich auf andere Menschen projizieren lässt.

Was tun gegen die Scham?

Ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Komplett schamfrei ist keiner von uns und das sollten wir vermutlich nicht anstreben. Aber das Maß an Scham beeinträchtigt durchaus die Lebensqualität. So ist es zumindest bei mir.

Für mich ist der erste Schritt immer die Einsicht. Der zweite Schritt…nun ja, ich arbeite daran. ^^

Habt ihr Ideen, wie man mit dieser ständigen (Fremd)Scham umgehen kann? 

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16 Kommentare zu „Spielt Fremdschämen wirklich eine so große Rolle für mich?

  1. Du bist nicht arrogant, weil Du Dich fremdschämst, liebe Mia.

    Sich schämen ist zuallererst einmal ein „peinlich berührt sein“. Auch sich fremdschämen.

    Peinlich berührt ist man spontan. Zwischen diesem „peinlich berührt sein“ uind einem öffentlichen Urteilen oder Verurteilen liegt viel. Sehr wichtig: ein Abgleich mit dem eigenen Werteverständnis, den eigenen Wertvorstellungen.

    Eigene Wertvorstellungen zu haben, eigenen Werten zu folgen, heißt noch nicht zu urteilen. Es kann aber Wertungen und Urteile bedingen, und es sind dann aus eigenen Erfahrungen und Kenntnissen, die das eigene Wertebewusstsein begründet haben, folgerichtig geronnene Wertungen. –

    Diese Wertungen sind Voraussetzung dafür, für sich selbst zu einer Entscheidung zu kommen inwieweit eine Situatiion, ein Verhalten (von einem selbst oder anderen) annehmbar oder akzeptabel ist oder eben auch nicht. Diese Entscheidung ist wichtig, ist essentiell – jeder Mensch hat das Recht Grenzen des für ihn Annehmbaren zu setzen. Wer das nicht tut, ist irgendwann verloren, läuft gar Gefahr seine Persönlichkeit zu verlieren.

    Auch und gerade in einer Beziehung hat man ein Recht auf seine Persönlichkeit. – Du bist Dir gegenüber selbstkritisch und selbsthinterfragend genug, Deine Persönlichkeit nicht als das non plus ultra zu sehen, Du weißt um Dinge, die Du selbst verändern möchtest, Du weißt auch, dass in einer Beziehung KJompromisse notwenig sind. Aber Du darfst, Du musst dabei Du selbst bleiben dürfen, in Deiner Entwicklung, die immer auch eine Veränderung ist. Aber eben keine um jeden Preis.

    So eine Haltung ist für mich keinesfsalls arrogant.

    Ich bin Dir sehr dankbar, Mia, dass Du mich zu diesen Gedanken inspiriert hast. Denn ich habe im November 2015, also eine ganze Zeit vor unserem Kennenlernen, mal eine Art Essay zum Thema „Scham“ verfasst, der durch meine Gedanken hier nun praktisch eine Fortschreibung, eine Ergänzung gefunden hat. (Den Ursprungstext findest Du, bei Interesse, wenn Du folgenden Link anklickst: https://gedankenorbit.wordpress.com/2015/11/05/scham-sentenzen-34/ )

    Und ich hoffe sehr, dass Du nun nicht mehr besorgt bist, etwa arrogant zu sein. Das bist Du nicht. Ganz und gar nicht. Lass Dich nicht in eiune solche Schublade stecken und schicke Dich auch selbst nicht dort hinein. Leider gelten in unserer heutigen Gesellschaft ethische Werte, vor allem dann, wenn sie GELEBT werden, vielfach nicht als besonders populär. Und das Wort Moral odert die Berufung darauf ist gar ganz „out“ weil Moral heutzutage offenkundig jeder definieren und leben kann wie er mag. – Eine ehemalige Bloggerin, mit der ich noch in Verbindung stehe und die hier als „Feuerwerkmädchen“ schrieb, hat mal einen, wie ich finde sehr schönen und treffenden Satz in diesem Kontext verfasst:

    „Moral ist jene Art des Handelns, welche lediglich von Anklägern des anständigen Lebens, verpönt wird.“

    Und noch eine Bloggerin hat einen sehr schönen Satz verfasst, der hierher passt, und den ich Dir gern weitergeben möchte, liebe Mia. Die Bloggerin schreibt hier unter dem Nicknamen „sheshebens“ und meint:

    „Du musst nicht wissen, wer Du bist, nur, wer Du gewesen sein willst. “

    Für mich hat dieser Satz sowohl etwas Tröstliches, wie auch etwas Befreiendes und ich habe, seit ich ihn las, versucht ihn mir zur Maxime zu machen.

    Vielleicht kannst Du ihn ja für Dich auch annehmen, liebe Mia.

    Liebste Grüße an Dich! 💖

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    1. Danke für deinen schönen Kommentar, lieber sternfluesterer! Du hast recht – „peinlich berührt“ trifft es im Grunde genauso und das ist nichts, das man so richtig steuern kann. Trotzdem bleibt dieser „arrogante“ Nachgeschmack weiterhin etwas bestehen…

      Deinen Beitrag zur Scham lese ich mir mal gleich mal durch!

      Ganz liebe Grüße! ❤

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  2. Hm, wenn ich jemand verhält sich unmöglich oder nervt gerade total, liegt das bei mir nicht an dem „Publikum“, sondern weil es mich echt stört. Dann sage ich was oder verlasse die Situation, wenn z.B. alle besoffen sind auf einer Party.

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  3. Es klingt so, als ob du dich selbst ganz schön fertig für deine Gefühle machst! Ich sag nicht, dass ich es besser kann, auf gar keinen Fall, ich mach es genauso 😆 nur fällt es mir gerade sehr auf, dass diese Gefühle wahrscheinlich gar nicht falsch sind – sie sind einfach menschlich, finde ich! Jeder wäre gerne ein alles akzeptierender Mensch, aber letztendlich ist niemand perfekt und jemand hat auch mal Gedanken, die man nicht haben möchte. Vielleicht ist ein Lösungsansatz, dass du dich selbst nicht dafür verurteilst, sondern es erst einmal akzeptierst. Wenn man gegen etwas ankämpft, verstärkt es sich oft nur umso mehr. Aber ich weiß es nicht, ich fänds spannend zu hören, wie sich das Thema bei der weiterentwickelt!

    Gefällt 4 Personen

    1. Oh, das habe ich so gar nicht gesehen! Aber ja, vielleicht hast du wirklich recht 😀 Ich finde Scham nur immer „unnötig“, weil sie einem das Leben vermiest. Und mich für andere schämen ist ein ätzendes Gefühl. Aber vielleicht hast du recht – ich sollte es erst akzeptieren und annehmen!

      Danke für deinen Kommentar:)

      Gefällt 2 Personen

      1. Das stimmt, sie vermiest es einem wirklich! Tut das nicht eigentlich jedes negative Gefühl? 🧐 ich bin gespannt, wie es bei dir weiter geht 😊

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  4. Ich habe heute selber auch eine Menge über meine Schamgefühle geschrieben. Da geht es zwar um ein etwas anderes Thema, aber Scham ist es dennoch. Aber Scham ist ein sehr schammiger Oberbegriff, den man meines Erachtens erstmal genauer definieren muss. Für mich bedeutet Scham eine Angst davor, von anderen verurteilt und deshalb dann zurückgewiesen zu werden oder sonstige negative Konsequenzen zu erleben.
    Sich für andere zu schämen kenne ich zum Teil durchaus auch. Für meinen Hund habe ich mich geschämt, wenn dieser aus Angst oder Beschützerinstinkt geschnappt hat. Ich habe im Geiste dann schon eine Anzeige vor Augen gesehen (obwohl sie nur in die Luft geschnappt hat). Ich kenne es auch, mich für betrunkene Freunde zu schämen, die mitten in der Nacht zu laut sind, aus Angst, die Nachtruhe der Nachbarn zu stören.

    Mir hilft bei Ängsten jeglicher Art als erster Schritt, diese komplett auseinander zu nehmen: genau nachzufühlen, wovor ich eigentlich genau Angst habe, eine möglichst realistische Einschätzung zu treffen, wie wahrscheinlich ein Eintreten dieses Umstands tatsächlich ist und danach zu entscheiden, ob die Angst vielleicht sogar gerechtfertigt ist. Wenn ich zu dem Schluss komme, dass sie es ist, kann ich sie akzeptieren und beim Fremdschämen andere um Rücksicht bitten. Wenn sie es nach eigener Einschätzung nicht, oder nicht im empfundenen Ausmaß so ist, kann ich analysieren, woher die Angst kommt und überlegen, was ich tun kann, um sie schrittweise aufzulösen.

    Auch hat es in der Kommunikation mit den entsprechenden Freunden eine sehr andere Wirkung, ob ich sage: „ich schäme mich für dich“ oder ob ich sage „ich habe Angst, dass die Nachbarn aufwachen und ihr Ärger über uns dann das Verhältnis erschwert“.

    Du schreibst, du hast dich geschämt, Teil dieser lauten Gruppe zu sein und zu beobachten, wie dein Freund nachgeäfft wurde. Ich frage mich da, ob deine Wut nicht vielleicht auch ein Ärger auf die Nachäffer war, weil du den Eindruck hattest, dass dein Freund hier verarscht wurde und du ihn eigentlich davor beschützen wolltest, aber das hier nicht konntest? Und eben eine Angst vor eventuellen Konsequenzen daraus?

    Vielleicht helfen dir diese Fragen ja ein wenig, etwas klarer zu definieren, was dich so an der Situation gestört hat…?

    Ach ja, und: so schnell kannst du mir nicht mehr unsympathisch werden! Dazu bist du viel zu selbstreflektiert und Fähigkeit zur Selbstreflektion schätze ich ungemein 😉 Ich habe eher den Eindruck, dass du durchaus auch mal ein bisschen nachsichtiger mit dir sein dürftest (wie ich ja auch…) 🙂

    Alles Liebe ❤

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    1. Ich glaube auch, dass sich Scham nicht pauschalisieren und mit einem Begriff definieren lässt! Aber tatsächlich geht sie bei mir auch mit Angst vor Verurteilung und Zurückweisung einher! Dass du deine Angst Stück für Stück auseinandernimmst, finde ich super! Ich glaube, dass ich dafür oft zu geblendet bin, weil die Scham zu einnehmend ist. Aber eigentlich ist der einzige Weg mit Gefühlen fertig zu werden, sich ihnen zu stellen!

      Danke für deinen Kommentar! 🙂 liebe Grüße!

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      1. Ich glaube, zu erwarten, dass man die Angst schon in dem Moment so analysiert, in dem sie akut ist, ist zu viel verlangt. Das schaffe ich zum Beispiel nicht. Aber wenn sie wieder abgeflacht ist, nochmal nachzufühlen, was da eigentlich genau los war, ist Menschen, die halbwegs in Verbindung mit ihren Gefühlen stehen, schon möglich. Und wenn das geht, kann man sie im Nachhinein zerpflücken und dann kommt sie das nächste Mal hoffentlich nicht mehr ganz so schlimm 😉

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