Was eine Essstörung in ihrer Recovery besonders auszeichnet, ist, dass ihr Heilungsweg nicht linear verläuft. Wie und warum das so ist, möchte ich in meinem Beitrag gerne näher erläutern.
Bei einer Grippe verläuft die Heilung linear.
Der Arzt oder die Ärztin verordnet Medizin, Bettruhe und viel Trinken. Hält man sich an alles, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach von Tag zu Tag besser werden. Das Konzept gilt für viele physische Krankheiten. Ein gebrochenes Bein heilt langsam, aber linear. Ein Ausschlag heilt langsam, aber linear. Eine Wunde heilt langsam, aber linear.
Bei einer Essstörung verläuft der Weg ein wenig anders.
Dort nützt es nicht, Medizin zu nehmen und viel Tee zu trinken. Dort wird es nämlich nicht von Tag zu Tag besser. Manchmal wird es urplötzlich schlimmer. Dann hat man ein paar gute Tage, bevor es aus dem Nichts heraus wieder schlechter wird.
Der Grund dafür ist, dass eine Essstörung tiefe Wurzeln hat, die es zunächst zu erkennen und erforschen gilt. Bevor also überhaupt an die Heilung gedacht werden kann, gilt es, die Essstörung als solche wahrzunehmen und verstehen zu lernen, warum sie sich als solche ausdrückt.
Der Heilungsweg einer Essstörung verläuft nicht linear.
Essstörungen zu bewältigen, bedeutet, hart an sich und seinem Verhalten zu arbeiten. Der Weg bis dort hin ist holprig und uneben. Manchmal kommen wir an Kreuzungen, bei denen wir die Orientierung verlieren, falsch abbiegen und plötzlich wieder am Anfang stehen. Manchmal laufen wir im Kreis und wollen am liebsten wieder zurücklaufen und uns gar nicht erst diesem harten Weg stellen. Der Heilungsweg ist mühsam, frustrierend und verläuft nicht linear. Aber es ist trotzdem der einzige Weg, um dem Essstörungslabyrinth ein für alle Mal zu entkommen.
Ich schreibe das hier nicht, um jemanden von dem Weg der Heilung abzuschrecken – sondern, um euch vorzubereiten.
Wisst ihr, was euch erwartet, könnt ihr in der Situation besser damit umgehen. Erleidet ihr einen Rückfall, wisst ihr, dass er nicht die Regel ist und auch nicht euren Weg in Richtung Heilung behindern wird. Habt ihr das Gefühl, es geht nicht weiter, wisst ihr, dass es trotzdem weitergeht, weil ihr euch nach wie vor auf dem richtigen Weg befindet. Mit jedem Tag, an dem ihr es weiterhin versuchen und felsenfest überzeugt davon seid, gesund zu werden, geht ihr einen weiteren Schritt nach vorn.
Wann ihr ankommt, ist euch überlassen. Jeder hat sein eigenes Tempo und niemand sollte euch Druck machen. Das gilt im Übrigen auch für euch selbst. Meistens sind wir unsere größten Kritiker und stemmen den Weg mit sehr vielen Anforderungen und Leistungsdruck. Aber das müssen wir nicht.
Niemand von uns geht den Weg allein.
In besonders schweren Zeiten hilft mir der Gedanke, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht, wie mir. Ich bin nicht allein. Niemand von uns ist das. Wir steuern alle dieselbe Richtung an! ♥
Liebe Mounia,
ich stimme dir mal wieder zu.
Warum ich eigentlich kommentiere: Ich finde dein zum Beitrag gewähltes Bild unglaublich passend. Ich weiß nicht, in wie fern du das bewusst gemacht hast, aber ein Labyrinth im ursprünglichen Sinne ist ganz klar von seinem häufigen Gebrauch abzugrenzen. Bei einem Labyrinth gibt es nur einen einzigen Weg mit vielen Biegungen, beim Irrgarten gibt es Irrwege.
Mein Griechischlehrer hat uns immer ein Zitat von Hermann Kern eingehämmert „Im Labyrinth verliert man sich nicht, im Labyrinth findet man sich. Im Labyrinth begegnet man nicht dem Minotaurus, im Labyrinth begegnet man sich selbst“
Und im Endeffekt passt das ja 1:1 auf den Heilungsweg: Das eigene Labyrinth ist für jeden Menschen unterschiedlich groß und verschieden häufig gebogen. Je größer und verschachtelter es ist, desto weiter ist der Weg, den man bis zur eigenen Mitte zurücklegen muss. Durch die vielen Biegungen, die durchaus auch vom Zentrum wegführen können, kommt man manchmal zu der Wahrnehmung, dass es ein nie endender Weg ist und man sich eher rückwärts bewegt und man kann die Orientierung verlieren. Aber im Endeffekt bewegt man sich immer vorwärts und, auch wenn der Weg vielleicht wieder weg vom Kern führt, bewegt man sich trotzdem auf ihn zu. Der Minotaurus wären in dem Fall wahrscheinlich sämtliche Zweifel und alles, was einem eigene Ängste und Zwänge einzureden versuchen, um einen vom weiter gehen abzuhalten. Und im Endeffekt lernt man sich auf seinem Heilungsweg ja auch besser kennen und findet vielleicht (zurück) zu sich, wenn man sich nicht vom Weg und seinen Biegungen abschrecken lässt.
Ich hoffe, meine Gedanken sind einigermaßen nachvollziehbar und ich hab nicht zu viel in das Bild hinein interpretiert 😀
Liebe Grüße!
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Danke für deinen tollen Kommentar! Das Zitat finde ich großartig, zumal ich das Bild mit dem Labyrinth bewusst gewählt habe! 😀 Wie schön, dass du die Symbolik schätzt! Ich finde außerdem den Gedanken schön, dass wir (Betroffene) alle uns im selben Labyrinth befinden und nach dem richtigen Weg nach draußen suchen. Der Gedanke, dass ich nicht allein im Labyrinth bin, ist unsagbar empowernd für mich! 🙂
Liebe Grüße!
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Liebe Mia,
wie immer ist auch das hier wieder ein Beitrag, der mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Denn ich glaube, was du da beschreibst, ist auf jeden Fall richtig und trifft, so zu mindestens mein Eindruck, auf viele psychische Erkrankungen zu.
Natürlich gibt es Therapien und für manche Krankheiten gibt es inzwischen auch Tabletten (deren Wirksamkeit sei jetzt mal dahingestellt), doch auch diese schützen vor Rückschlägen nicht. Bei meiner Schwester, die an Depressionen leidet, kann ich genau erkennen, dass genau diese Rückschläge ihr die Hoffnung auf bessere Zeiten nehmen.
Und auch von der breiten Gesellschaft wird ein Rückschlag bei solchen Erkrankungen leider oft als Schwäche und als Zeichen für keine Heilung angesehen.
Deshalb finde ich es so schön und auch so wichtig, dass jemand sich einmal traut, zu sagen, dass Rückschläge dazugehören und man sich von diesen nicht entmutigen lassen soll.
Alles Liebe
rahellyelli
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Danke für deinen lieben Kommentar! Ich finde es wichtig sich immer wieder vor Augen zu führen, dass Rückschläge nicht die Regel sind und es trotz allem immer wieder vorwärts geht! 🙂
Liebe Grüße!
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