Viele tun sich schwer damit, ihre negativen Glaubenssätze abzulegen. In diesem Beitrag erfahrt ihr, wie ihr sie erkennen, hinterfragen und ändern könnt.
Wir alle haben Glaubenssätze, die nicht der Wahrheit entsprechen. Sie sind irgendwann entstanden und haben sich so stark manifestiert, dass sie gar nicht mehr wegzudenken sind.
„Ich würde ja gern was daran ändern, aber ich kann nicht“, höre ich oft. Ich verstehe diesen Gedanken sehr gut, da ich vor meiner Recovery niemals gedacht hätte, dass ich nicht nur mein Verhalten, sondern auch meine Grundannahmen ändern kann.
Warum bin ich eine Versagerin?
Um meinen Beitrag besser zu veranschaulichen, beschreibe ich es anhand eines Glaubenssatzes, den ich damals selbst in der Therapie behandelt habe. Besagter Glaubenssatz war: „Ich bin eine Versagerin“.
In der Therapie sprach meine Therapeutin von „Ego-States“, sogenannten Ich-Anteilen, die die eigene Persönlichkeit ausmachten. Einer meiner Ego-States war das Gefühl, eine Versagerin zu sein. Seit ich denken konnte, fühlte ich mich wie eine. Wann immer ich Erfolg hatte, schätzte ich ihn kaum wert und redete ihn klein, doch wann immer ich scheiterte, brannte meine Gefühlswelt wie Feuer. Dieser Glaubenssatz war so tief in mir verankert, dass ich es überhaupt nicht hinterfragte, keine Versagerin zu sein. Es war für mich so klar, wie blauer Himmel. Ich war eine Versagerin. Punkt.
Wie lege ich negative Glaubenssätze ab? – Erkennen, hinterfragen, ändern
1. Ursachen erkennen
Es gibt immer einen Grund dafür, warum wir sind wie wir sind und glauben was wir glauben. Viele Erlebnisse haben uns schon in der Kindheit geprägt und sich manifestiert. Diese gilt es zunächst zu erkennen. Wo ist die Quelle des Ganzen? Wie hat es angefangen?
Ich gebe zu, dass es wirklich schwer ist, allein auf den Grund zu kommen. Oft stellen wir uns selbst nicht die richtigen Fragen. Oft sind wir zu voreingenommen und leben in unserer verzerrten Weltwahrnehmung. Deshalb rate ich jeder betroffenen Person, möglichst noch eine weitere „professionelle“ hinzuzuziehen. Es kann ein*e Therapeut*in oder ein Coach sein, aber es tut auch jede andere Person, der man sich anvertrauen kann.
Wenn ihr euch trotzdem dafür entscheiden, es erst mal allein hinzukriegen (davon würde ich euch allerdings abraten), dann müsst ihr trotzdem mit euch selbst in einen Dialog treten. Es ist wichtig, mit euch selbst zu reden – ob nun laut oder im Kopf.
Eintauchen in die Vergangenheit
Und dann geht es ans Graben. Die Suche nach den Ursachen ist wie eine kleine Zeitreise. Ihr taucht in eine andere Welt und erforscht eure Gefühle. Die Reise ist nicht leicht, da viele Glaubenssätze den Ursprung in verdrängten, traumatischen Erlebnissen haben. Dennoch ist es unsagbar wichtig, die Quellen zu finden. Sie sind der erste und wichtigste Schritt, denn ohne geht es nicht weiter. Nur, wenn wir wissen, wo die Blutung ist, können wir sie stoppen. Nur wenn wir die Wunde sehen, können wir sie versorgen.
Ich kramte und kramte also und stieß auf viele Erlebnisse, die meinen Glaubenssatz „Ich bin eine Versagerin“ immens geprägt hatten. Als Kind kam es mir oft vor, als wäre ich immer tendenziell schlechter als die anderen. Ob nun im Kunstunterricht oder in einem anderen Fach, ich schnitt schwächer ab. In der Grundschule war ich damals mit acht die Einzige, die die „Fahrradprüfung“ nicht bestanden hatte. Später erzielte ich bei den Bundesjugendspielen nur die Teilnehmerurkunde. Aufs Gymnasium kam ich mit einer Realschulempfehlung und als ich die Klasse wiederholen musste, weil meine Noten zu schlecht waren, manifestierte sich mein Glaubenssatz endgültig: „ICH BIN EINE VERSAGERIN.“
In die Vergangenheit einzutauchen tat weh. Ich sprach über den damaligen Schmerz und fühlte ihn, als wäre es erst gestern gewesen – die Trauer, die Scham, das Gefühl, versagt zu haben. Obwohl ich schon erwachsen war, erlaubte ich mir zum ersten Mal richtig darüber zu weinen. Es war so unglaublich hart, und doch wichtig. Denn nun verdrängte ich nichts mehr. Nun kannte ich die Ursache.
2. Glaubenssätze hinterfragen
Nun gilt es, die Glaubenssätze – die eigene Wirklichkeit zu hinterfragen. Ist das wirklich wahr? Oder stimmt das alles vielleicht nicht?
Hierzu ein sehr hilfreicher Kommentar von Woerterkonfetti, in dem es darum geht, alles erst mal klar zu kategorisieren.
Für mich war/ist es hilfreich, die Glaubenssätze zu kategorisieren. Ich hab eine A3 Seite voller negativer Glaubenssätze, die ich immer wieder erweitere. Dabei sind die Sätze farblich in Kategorien eingeteilt, also z.B. bezüglich Beziehungen, Essen, Körper, Leistungsanforderungen, Fähigkeiten, …
Zum eigentlichen Umschreiben: Mir hilft es immer, erstmal einen rationalen Faktencheck zu machen. Also ist Glaubenssatz X tatsächlich wahr? (Kleiner Spoiler, sind sie meist nicht). Falls ich ja sage: Unter welchen Umständen ist dieser Glaubenssatz wahr? (Ist er also z.B. von bestimmten Personen abhängig oder tritt er nur in bestimmten Situationen auf?). Und abhängig davon schaue ich, ob ich nicht vielleicht erst Umstände ändern muss, um einen neuen Glaubenssatz annehmen zu können.
Weiter geht es mir dem Reflektieren, von dem, was man fühlt und dem, was tatsächlich ist. Auch hier nochmal ein Zitat von Woerterkonfetti:
Die Glaubenssätze selbst versuche ich immer erst zu relativieren. Also, dass ich ihnen den Charakter von „Ich bin/fühle“ nehme. Also bei dem Beispiel „Ich nehme mich als zu dick wahr.“ Das ist dann ein Fakt, der zwar wahr sein kann, aber nicht der objektiven Wahrheit entspricht (andere sehen mich vielleicht nicht als zu dick, sondern eben als ganz normal/schlank).
Listen erstellen
Bei mir damals in der Therapie haben wir eine Liste von den Dingen erstellt, in denen ich gesiegt und versagt habe. Erst durch sie wurde mir klar, dass ich in meinem Leben statistisch gesehen viel mehr Erfolge als Niederlagen hatte. Letztere fühlten sich nur aufgrund meines negativen Glaubenssatzes so intensiv an und überlappten alles „Gute.“ Auf diese Weise erkannte ich Stück für Stück, dass mein Selbstbild gar nicht der objektiven Wahrheit entsprach.
Andere fragen, wie sie mich sehen
Ebenfalls hilfreich war es, die engsten Menschen in meinem Umkreis zu fragen, was sie von meinem Glaubenssatz hielten. Dachten sie wie ich, ich wäre eine Versagerin? Oft ist es so, dass unsere „Liebsten“ einen objektiveren Einblick über uns haben als wir selbst.
3. Glaubenssätze ändern
Es ist nicht so, dass Glaubesssätze vollständig abgelegt, sondern vielmehr geändert werden müssen. Man kann sich das so vorstellen, als würde man eine Software neu einspielen und das „Alte“ überschreiben.
Viele scheitern bei diesem Schritt. Auch ich nahm sie lange Zeit nur an und dachte mir „So bin ich halt – ich kann’s nicht ändern.“ Doch um negative Glaubenssätze zu ändern erfordert es neben der Suche nach dem Ursprung und der Reflexion auch ganz viel Praxis. Glaubenssätze ändern sich nicht über Nacht, sie ändern sich, wenn wir was dafür tun.
Nur wie?
Im Grunde, wie alles, das wir neu erlernen: indem wir üben, üben, üben. Und zwar jeden Tag.
Macht euch zum Beispiel eine Liste und lest sie euch jeden Tag durch. Lernt sie, wiederholt verinnerlicht sie, bis ihr sie auswendig könnt.
Damals in meinen Handynotizen stand sowas wie:
Ich bin gut.
Ich bin genug.
Ich bin wertvoll.
Ich bin liebenswert.
Obwohl ich zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht daran glaubte, sagte ich es mir. Und dann begründete ich es mit den Fakten, die ich schon bei Schritt zwei, dem Reflektieren, gelernt hatte.
Soweit meine Tipps! 🙂 Habt ihr noch weitere?