Dienstagabend: Erkenntnis im Seminar

Ich sitze in meinem Seminar und stelle mir vor, dass eine Glühbirne wie in einem Comic über meinem Kopf hängt. Denn heute ist mir die Erleuchtung gekommen. Der Grund, warum ich hier sitze und mich quäle, warum ich diesen Druck und diese Angst in meinem Studium spüre.

Und anders als ich dachte, hat das nicht primär den Grund, dass ich Zukunftsängste habe und fürchte, das Studium nicht zu bestehen.

Es liegt an der Struktur des Seminars. An der Dozentin und ihrem Lehrschema. Dass ich mich ständig an die Schulzeit erinnere, passiert nicht ohne Grund. Denn ich sitze praktisch wieder in der Schule.

Der Ton macht die Musik.

Unsere Dozentin ist herrisch. Ihr Tonfall ist bestimmt, aber streng. Da spricht an für sich nichts dagegen, aber ihre Forderungen klingen manchmal wie „Drohungen“.

„Entweder einer meldet sich freiwillig, um an die Tafel zu kommen, oder ich nehme einfach jemanden wahllos ran.“

„Wenn einer die Hausaufgaben nicht gemacht hat, muss er sie nachholen, oder er besteht den Kurs nicht.“

„Ihr müsst mindestens zwei der Tests bestehen, sonst dürft ihr die Klausur nicht schreiben.“

Es mag nicht allen so ergehen, aber ich höre/lese ein wenig Erpressung dabei heraus. Prompt fühle ich mich zurück zur Schulzeit katapultiert, als ich damals noch völlig unselbstbewusst und schüchtern mit solchen Forderungen schlecht umgehen konnte. Dieses „Ohne zu melden Rannehmen“ fand ich schon immer ganz furchtbar. Wenn ich bis jetzt rangenommen wurde, konnte ich mich nicht bewegen und antwortete immer darauf, dass ich mich nicht sicher bei der Antwort fühlte. Sie schlug vor, mir zu helfen, doch ich schüttelte wie ein stures Kind den Kopf und fühlte mich gleichzeitig lächerlich dabei!

Druck und Zwang

Strenge Befehle auf Knopfdruck funktionieren bei mir nicht. Ich brauche viel Zeit, um etwas langfristig zu verstehen und dazu werden meist mehrere Anläufe benötigt. Selbst wenn ich die Lösung wüsste, so entfällt sie mir, sobald ich sie vor anderen laut aussprechen muss. Mein zweiter Name lautet im übrigen Blackout.

Ich bin nicht gegen Testes oder weitere praktische Übungen im Seminar. Lediglich dieses hierarchisierte Klima verunsichert mich sehr. So sehr, dass es mich für den restlichen Tag ausknockt. So sehr, dass ich in meinem jetzigen Seminar keine Konzentration mehr habe. Und wenn ich könnte, würde ich es schon im Schulsystem ändern. Denn auch, wenn die meisten diesen Druck brauchen, so gibt es einige für mich, die an diesem vor Angst und Scham untergehen.

So viel zu meinen aktivistischen Ideen. Aber um mein schlechtes Gewissen zu reinigen werde ich jetzt lieber aufpassen (um nicht zu sagen konzentrationslos nach vorne starren).

Euch einen schönen Dienstagabend. ♥

8 Kommentare zu „Dienstagabend: Erkenntnis im Seminar

  1. Wenn ich das hier so lese, denke ich an meine eiugene Studentenzeit (meine erste, lange zurückliegende, als Direktstudent) – für mich musste nuicht mal so ein gestrenger oder gestrenger tuender Dozent da sein – ich hatte diese Ängste, diesen Versagensdruck immerzu. – Ich habe mir das lange nicht eingestehen wollen. Heute weiß ich, das im jener zeit, in jenem Erleben einige der Wurzel für mein heutiges Dasein liegen.

    Einen Rat habe ich leider nicht, liebe Mia, bloß, die auch nicht wirklich hilfreiche Bitte, das Problem für Dich sehr wachsam im Auge zu behalten. Dass Du es jetzt schon so recht klar reflektierst, gibt mir Hoffnung, dass Du Dich nicht zu sehr zusätzlich „triggern“ lässt von solchen Dozentinnen und Dozenten, wie Du sie hier beschrieben hast.

    Das Schulsystem in Deutschland zu ändern, ganz gründlich, das wäre längst an der Zeit. Und auch über Methoden und persönliche Eignungen vom und für den Unterricht müsste viel kritischer geredet werden.

    Ich denk an Dich und drücke Dir für jede einzelne Vorlesungs- und jede Seminarstunde sehr dier Daumen!

    Viele liebe Grüße an Dich! ❤

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    1. Deine Worte helfen mir immer so sehr! Du brauchst mir keinen Rat geben, wenn ich das Gefühl habe, von nur einem Menschen verstanden zu werden! Der Versagensdruck ist in der Tat sehr einnehmend, aber ich glaube, dass es nicht in meiner Macht liegt, das Bildungssystem zu ändern..

      Schlaf gut, lieber sternfluesterer! ❤️

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  2. Liebe Mia, beim Lesen ist mir ganz mulmig geworden. Es war das schlimmste für mich in der Schulzeit, in meiner Ausbildung hatten wir in Medizin auch so eine Lehrerin. Ich hatte jedesmal Angst. Man könnte meinen das vom Schulzeit bis zur 2. Ausbildung eine lange Zeit vergeht (7 Jahre) aber Angst blieb mir. Ich kann gar keinen Rat geben, aber ich denk an dich. Alles Liebe ♡

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  3. …Oh, stimmt. Man sitzt da wie ein Trottel. Mir ging es ähnlich. Noch heute lache ich mit einer Freundin über unsere Dozentin in einem Seminarraum, der eine einzige Säule hatte, hinter der wir uns gern verschanzt haben. „Sie da, kommen Se ma hinter der Säule vor,“ ist ein Running Gag, wenn es mit Personen unheimlich wird. Mittlerweile habe ich auch die andere Seite kennengelernt: Ich habe mich immer bemüht, einen Dialog mit den „Schülern“ zu führen. Trotzdem glaube ich, dass manche Personen den strengen „Führungsstil“ brauchen, um Dich als Leitung ernst zu nehmen. Menschen sind in dieser Hinsicht sehr komisch. Halte durch, alles Gute!

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  4. Und wenn du mir ihr sprichst? Das wird an ihren Forderungen vielleicht nichts ändern, aber wahrscheinlich ist sie im 1:1-Gespräch netter und verständnisvoller und dann lösen sich die alten Schatten von der Schulzeit wahrscheinlich ganz von alleine in nichts auf.

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      1. Menschen sind im Grunde sehr empathisch, wenn jemand anderes seine Schwächen zeigt und um Hilfe bittet. Ich glaube nicht, dass du es bei ihr versauen würdest.

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