Klischees im TV – Das vermeintliche Bild von Essstörungen

Wie der Titel bereits verrät, geht es hier um das Klischee der Essstörung und wie sie im Fernsehen visualisiert wird. Dies werde ich anhand eines vergangenen Beispiels erläutern. Auch hier gilt Triggerwarnung.

Folgendes Beispiel:

Neulich sah ich fern. Ich stieß auf eine mir unbekannte Serie und ließ sie im Hintergrund laufen. Sie handelte von dem Studentenleben in den USA, welche dem üblichen Alltag strotzten. Mir gefiel sie irgendwie auf Anhieb. Ich lachte über den zeitgenössischen Humor, aber kann mich im Nachhinein beim besten Willen nicht mehr an den Namen der Serie erinnern.Vielleicht liegt es daran, dass mich eine Szene in dieser Folge sehr beschäftigte. Ein beliebter Stereotyp im Denken der Gesellschaft. Ich beschreibe sie euch mal.

Die Szene

Ein Mann betritt die Wohnung seines Kumpels. Sie begrüßen sich und führen einen kurzen Plausch. Seine Freundin – eine schöne große blonde Frau – sitzt vor dem Fernseher und isst Fastfood. Nach dem Essen verschwindet sie in die Toilette. Die Kamera bliebt im Blickfeld der beiden Männer, doch sie hören ein Husten und Würgen aus dem anderen Raum. Die Szene weist darauf hin, dass sie sich nach dem Essen übergibt. Der Partner der Freundin verdreht die Augen und macht eine abwertende Bemerkung darüber, warum sie ihr Essen nicht gleich von Anfang an in den Müll werfe. Sein Kumpel schließt sich seinem Blick an. Dann kehrt sie zurück und setzt sich erneut vor den Fernseher. Der Fokus auf ihr verschwindet und wird auf das vorige Gespräch der beiden zurückgelegt.

Nach der Szene ratterte mein Kopf. Ich war traurig und wütend zugleich. Mit einem Schlag war die Serie, die ganz interessant zu werden schien, kein Vergnügen mehr. Ich dachte über all die voreingenommenen Merkmale nach, die sich in dieser kurzen Szene verbargen.

Klischees

Die Serie weist auf eine an Bulimie erkrankte Frau hin, die aussieht wie ein Model. Groß, blond, schön und dünn. Sie macht kein Geheimnis daraus, sie zu verbergen und verabschiedet sich Sekunden nach dem Essen lautstark und in Anwesend anderer davon.

Das Klischee des Models besagt, dass sie streng auf ihre Figur achten müssen. Sie essen wenig, um ihr Gewicht stabil zu halten oder verdauen es erst gar nicht. Ich kenne die Branche der Models nicht und kann daher kaum einschätzen, ob es teilweise wirklich so läuft.

Ich kenne jedoch besagte Essstörung sehr gut und kann mit Sicherheit unterstreichen, dass nicht nur dünne Models unter Essstörungen leiden. Auch geschehen die meisten Essstörung eher heimlich als vor „Publikum.“ Und dass eine betroffene Person „glücklich“ damit ist und sich einfach wieder vor den Fernseher setzt, finde ich auch sehr unwahrscheinlich.

Spott.

Warum aber machte mich dieser kurze Abschnitt so wütend? Das lässt sich eigentlich ziemlich klar beantworten: In der Szene war kein Mitgefühl zu einer essgestörten Frau zu erkennen. Ihre Krankheit wurde nicht als solche gewertet, sondern viel mehr als Abartigkeit. Abartig, weil diese verschwenderisch mit dem Essen war. Abartig, weil jenes Model wohl kein Fastfood essen oder gar genießen konnte, ohne es „auszuspucken“. Und abartig, weil sie sich wohl nicht dafür zu schämen schien, gleich nach dem Essen ins Bad zu verschwinden.

Hypersensibel?

Natürlich ist es nur eine Serie und sollte nicht allzu ernstgenommen werden. Aber so tickt die Welt. Wir entnehmen viele Informationen aus Quellen, die nicht wissenschaftlich belegt sind. Wir denken nach Klischees. Sie bilden meist unsere erste Assoziation zu fremden Dingen. Wer kann es uns verübeln, wenn wir permanent mit diesen Lügen konfrontiert sind? Sie stecken überall. Und sie entsprechen nicht der Realität.

Selbst ich habe vor 5 Jahren – mit 17 und ganz fern von einer Essstörung – den Klischees geglaubt. Und Schuld daran ist, dass es mir nie richtig erklärt wurde. Ich kannte lediglich die vielen Geschichten.

Aber Klischees dürfen nicht als Wahrheit untermalt werden. Sie verzerren die Realität, in dem sie in den Medien verspottet werden. Essstörungen sind ernstzunehmende Krankheiten und dürfen keinesfalls belächelt werden, weil junge Menschen ihre „Phasen“ haben. Im übrigen schließen Essstörungen jede Altersklasse ein und nicht nur zwanzigjährige Models.

Mein Fazit des Ganzen lautet, dass Klischees im Fernsehen und anderen Medien gefährlich sind, weil sie die Krankheit nur einseitig betrachten und ihren Ernst zerschlagen.

Kommt eines Tages die Zeit, in der wir Menschen allesamt aufgeklärt sind und diese Serie mit dem Wissen schauen, dass sie nicht der Wahrheit entspricht, dann höre ich sofort auf zu meckern. Aber bis dahin habt ihr mich noch an der Backe 🙂

 

 

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8 Kommentare zu „Klischees im TV – Das vermeintliche Bild von Essstörungen

  1. Manchmal erschrecke ich mich auch darüber, wie wenig Verständnis im Hinblick auf Essstörungen in unserer Gesellschaft doch noch vorhanden ist. Im Großen und Ganzen habe ich nämlich eigentlich schon das Gefühl, dass sich das Bild von psychischen Erkrankungen mittlerweile ein wenig verändert hat und sie auch mehr als solche anerkannt werden. Solche Klischeebilder in Serien oder wo auch immer zerschlagen den Optimismus dann natürlich ganz schnell wieder. Echt traurig :/

    Gefällt 3 Personen

    1. Danke für deinen Kommentar! Ja das ist wahrhaft erschreckend! Und auch wenn das Thema um psychischen Krankheiten nun in einem breiteren Feld thematisiert wird, so ist das fälschliche Bild davon ausreichend vorhanden! Klischees sind nunmal Klischees und keine konkrete Wahrheit.

      Liebe Grüße!

      Gefällt 1 Person

  2. Ist schön, Dich an der Backe zu haben. 😉 –

    Ich finde Deinen Eintrag wieder sehr gelungen.

    Im Grunde muss man das Klischeedenken aber noch viel weiter erfassen. All die vielen Filme und Serien, gar nicht zu reden von der Werbung, die quasi das „normale“ Schönheitsideal postulieren, hofieren und hintergrundlos präsentieren, gehen mir ziemlich auf die Nerven.

    Und noch schlimmer sind die, die dann Menschen, die diesem vermeintlichen Ideal nicht entsprechen, mehr oder weniger lächerlich machen oder sogar regelrecht stigmatisieren.

    Ich bin, obwohl von keiner Essstörung betroffen inzwischen richtig gallig deshalb.

    Gut, es gibt nicht nur solche Filme, nicht nur solche Serien. Aber fängt es nicht schon bei den Moderatorinnen und Moderatoren etwa der Nachrichtensendungen an? Die müssen alle rank und schlank sein. Warum? Gibt es keine rundlicheren Menschen, die auch eine ebenso freundliche, wie seriöse Ausstrahlung haben? Warum bekommen die so einen Job nicht?

    Stereotypen, Klischees, Vorurteile – nicht nur die Medienwelt ist voll davon.

    Manchmal hoffe ich noch insgeheim, dass bei so einer Serie, wie Du sie gesehen hast, eine solche Szene so gezeigt wird, wie voin Dir geschildert, um einfach nur die (traurige) Realität darzustellen. Ist in einem solchen Rahmen natürlich nicht unproblematisch, weil eben viele ihrer Konsumenten dann „ganz normal“ genauso reagieren, wie die Typen in der Serie. Und sich dadurch dann noch bestätigt fühlen …

    Aufklärung ist wirklich bitter nötig. Und die sollten wenigstens die öffentlich-rechtlichen Medien nachhaltiger und offensiver betreiben, nicht nur bestenfalls mal an einem „Thementag“.

    Ich bin sehr froh darum, dass Du, liebe Mia, mit Deinem Blog, in dem Rahmen, der Dir möglich ist, genau das tust. Und zwar immer auf seriöse und nie belehrende Weise.

    Aber das schrieb ich, galube ich schon öfter. Stimmt aber auch immer … 😉

    Liebste Grüße an Dich! ❤

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    1. Da hast du völlig recht lieber sternfluesterer, alle Klischees werden auf das vermeintliche Schönheitsideal zurückgeführt. Schöne Menschen moderieren „rundliche“ wie du sagtest, gelten als Comedy Figur und spielen den Tollpatsch. Können diese aber nicht auch schön sein und fantastisch moderieren? Kann Schneewittchen nicht von einer Schauspielerin besetzt werden, weil sie wunderbar schauspielern kann?

      Auch ich wünsche mir, etwas „Realität“ in den Unterhaltungsbranchen. Mit „echten“ Menschen. Ohne dünne oder muskulöse Menschen, welche eine Welt visualisieren, die es nicht gibt. Auch mich macht das „gallig“.

      Danke dir sehr für dein Kompliment! Das motiviert mich sehr, weiter darüber zu schreiben!

      Viele Grüße ⭐️

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  3. Hallo Mia,
    ich fühle dein Entsetzen, trotz Entfernung, körperlich. Mich regt das schon vom Lesen auf. Ich kenne keine Serie und keinen Film, in der/dem Essstörungen wahrheitsgetreu oder zumindest realitätsnah dargestellt wurden.
    Das Traurige, die Zuschauer glauben diesen Schrott und zusehends (im wahrsten Sinne des Wortes) verfestigen sich falsche Ansichten. Der Stempel, den man gern jemanden aufdrückt, wird auf dieser Art und Weise erstellt.
    Was bleibt, ist systematisch Klischees zu erstellen, die der Wahrheit entsprechen. Eine lautstarke Gegenwehr und Versuch, es krampfhaft zu korrigieren, ist sinnlos, denn Menschen hören nur das (wie Essstörungen), was sie hören wollen.
    Viele Grüße 🌻
    Michaela

    Gefällt 1 Person

    1. Da hast du vollkommen recht! Das zu hören, was man hören will, ist leider die Konsequenz von unverändertem Klischeedenken. Aber dass sich dieses Klischee nicht ändert, ist sehr gefährlich, weil der ernst der Lage völlig ausgeklammert wird. Ich will nicht wie eine Spießerin klingen, die keinen Spaß verstehen kann. Aber eben dieses Klischeedenken könnte bezwecken, dass andere sich einer Essstörung überhaupt bekennen oder anderen öffnen. Ich habe es leider selbst erlebt, dass die Beichte einer Essstörung längst nicht so befreiend war wie angenommen, weil mein Gegenüber die Krankheit als „abartig“ empfand.

      Danke dir für deine netten und verständnisvollen Worte und hab noch ein schönes Wochenende 😊☀️️

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  4. Es ist schlimm, wie „lapidar“ Essstörungen im Fernsehen thematisiert werden. Das Klischee „Sie ist ein Model, sie steckt sich nach dem Essen ohnehin den Finger in den Hals“ hab ich im Fernsehen schon mindestens genauso oft gehört wie das AMEN in der Kirche. Durch diese fahrlässigen Aussagen wird m.M. nach das Bild vermittelt, dass z.B. im Fall von Models die Bulimie zum Alltagsgeschäft dazugehört. Du willst als Model erfolgreich sein? Dann musst du Hungern oder nach dem Essen kotzen. Viele junge Menschen sehen das, sind leicht beeinflussbar und schlittern möglicherweise durch mangelnde Aufklärung direkt selbst in eine ES.
    Was ich allerdings auch als Schwierigkeit sehe, ist die Komplexität der Essstörungen. Man müsste echt mal eine mehrteilige Serie zum Thema produzieren, um mal annähernd an der „Spitze des Eisbergs“ zu kratzen. Ich hoffe, dass das Thema mal etwas mehr in der Öffentlichkeit behandelt wird und Essstörungen als echte, reale Krankheit wahrgenommen werden ❤

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    1. So ist es! Der Wunsch, sich für die Modelbrnache zu entscheiden, sollte nicht die logische Konsequenz einschließen, ernsthaft krank zu werden. Junge Menschen sind noch viel leichter zu beeinflussen und kommen nicht aus ihrem Denken, wenn sie weiterhin Aussagen in Filmen etc. sehen. Thematisiert werden muss es daher unbedingt!
      Viele Grüße!!

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