Viele greifen immer seltener nach einem Stück Schokolade, sondern lieber nach einer gesünderen Alternative. Allerdings stellt sich mir da folgende Frage: Sind „gesunde“ Süßigkeiten ungesund für die Psyche?
In den Anfängen meiner Essstörung hatte ich eine anorektische Phase, in der ich nach und nach immer weniger gegessen habe. Doch nicht nur meine Rationen wurde kleiner, die Lebensmittel wurden zunehmend „gesünder“ – sprich: keine kalorienreichen, fettigen Lebensmittel. Deshalb dachte ich auch, dass ich mich mit meiner neuen, vermeintlich gesunden Einstellung „richtig“ ernährte.
Dasselbe galt für Süßigkeiten. Wenn ich welche aß, dann nur welche, die „gesund“ waren. Obst und Trockenfrüchte waren also drin, Schokolade und Gummibärchen hingegen wurden aus meinem Speiseplan verbannt.
Backen – aber nur Gesundes!
Auch beim Backen übertraf ich mich selbst. Ich schaffte es, einen gut schmeckenden Kuchen ganz ohne Mehl, Butter oder Zucker zu backen – für alles fand ich eine „gesündere“ Alternative. Wenn ich also jemals „cheatete“ und Süßes aß, dann nur „gesundes“ Süßes.
Zuckerfreie Proteinriegel
Wenig später entdeckte ich meine Alternative für Schokoriegel – Proteinriegel. Meistens enthielten sie keinen Zucker, dafür aber sehr viel Eiweiß. Win-Win Situation dachte ich. Ich gab ein kleines Vermögen für jene nicht gerade preiswerten Riegel aus, aber dafür hatte ich endlich wieder was „Gesundes“ zum Naschen.
Alles zuckerfrei!
Dank der boomenden Diätindustrie gibt es inzwischen nahezu „alles“ ohne Zucker oder Kohlenhydrate. Für mich war das damals der Himmel auf Erden, denn ich musste endlich nicht mehr auf all das „böse Süße“ verzichten. Ich konnte wieder essen und genießen.
„Gesunde Süßigkeiten“ sind nicht gesund!
Leider wurde mir irgendwann klar, dass ich den Begriff „gesund“ völlig falsch definierte. Gesund war gleich zucker-, fett- und kalorienarm, aber nicht reich an Nährstoffen. Stattdessen beinhaltete es einen Cocktail aus verschiedensten Chemikalien sowie Süßstoff. Wie ungesund Süßstoff ist, muss ich ja niemandem erklären.
„Gesunde Süßigkeiten“ sind keine richtigen Süßigkeiten
Außerdem wurde mir mit der Zeit klar, dass die alternativen Süßigkeiten eben nur eine Alternative waren. Kein Vergleich zum phänomenalen Tiramisu meiner Mutter. Kein Vergleich zu einer Tafel Schokolade. Es war und blieb die Alternative – die zweite Wahl.
Hallo Essanfälle!
Und wie alles, das ich mir verkniff, holte es mich früher oder später ein. Wenn es mir nicht gut ging, wenn es mir total gut ging oder wenn ich einfach nicht mehr weiterwusste. Ich griff nicht zu den Proteinriegeln, nein – ich griff zum Snickers!
Sind „gesunde“ Süßigkeiten ungesund für die Psyche?
Für mich lautet die Antwort ganz klar JA! Ja, weil ich nach wie vor nach Regeln lebte. Ja, weil ich mir das „Ungesunde“ verkniff. Ja, weil mich „gesunde“ Alternativen unglücklich machten.
Heute greife ich manchmal immer noch nach „gesunden“ Süßigkeiten.
Teils aus Gewohnheit, teils aus Zwang. Noch immer kann ich nicht einfach so in eine Chipstüte greifen oder mir ein Stück Schokolade abbrechen. Immer zögere ich kurz und höre die leisen Stimmen im Ohr. „Sollte ich das wirklich essen?“ „Die haben aber schon viele Kalorien.“ „Vielleicht sollte ich lieber einen Apfel essen.“
Manchmal gewinnt die Stimme der Essstörung, manchmal greife ich trotzdem zu. Fakt ist, dass ich wieder „ungesunde“ Süßigkeiten esse. Ich esse und hinterfrage und weiß, dass ich, je länger ich diesen Prozess durchlaufe, irgendwann ohne Zwang und Regeln essen kann.
Was haltet ihr von „gesunden“ Alternativen für Süßigkeiten? Findet ihr sie auch bedenklich oder eher nicht?
Falls euch das Thema interessiert könnt ihr in meinen Beitrag Warum Proteinriegel keine Alternative für Süßigkeiten sind reinschauen. Dort schreibe ich ausführlicher darüber – vor allem über ihre Nachteile!
PS.: Mein Buch Zwischen meinen Worten ist jetzt erhältlich!
Kuchen ohne Mehl? Den kann man doch dann trinken, oder nicht? 🙂
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Nein, er schmeck sogar gar nicht so schlecht! 🙂 es gibt viele gluten-freie Kuchenrezepte ganz ohne Mehl!
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