Sonntag = „Cheat Day“? Nicht bei mir! Ich möchte euch hier aus der Sicht einer Essgestörten erklären, warum ich den Cheat Day nicht nur fatal, sondern auch gefährlich finde.
Was ist der Cheat Day?
Der Cheat Day ist ein Tag in der Woche, der eine die Ernährungsroutine (meist einer Diät), die oft kohlenhydratarm (low carb) unterbrochen wird. An diesem Tag ist es erlaubt zu essen, was man will. Da in diesem Fall oft auf „ungesunde“ Produkte, wie Zucker (Süßigkeiten) oder Kohlenhydrate (Fastfood) verzichtet wird, ist an jenem Tag alles erlaubt.
Viele schwören auf den Cheat Day.
Sie schwören auf die Ergebnisse und erfreuen sich daran, dass sie sowohl „abnehmen“, als auch die „verboteten Lebensmittel“ in ihren Essplan vereinen. Ich möchte ihnen ihre Resultate überhaupt nicht absprechen, denn wenn alle Welt seit Jahren davon spricht, muss ja was dran sein. Meine Resultate sahen aber trotzdem anders aus.
Damals probierte ich den Cheat Day auch aus.
Während der Hochphase meiner Essstörung baute ich den Cheat Day in meinen Ernährungsstil ein. Naiv wie ich war, klang er für mich wie die „Rettung“. Ein Mal die Woche konnte ich essen, was ich wollte und würde dabei nicht zunehmen, denn dieser sollte angeblich die Energiereserven wieder auffüllen und soll sogar dabei helfen, Muskeln aufzubauen.
Das Ergebnis: Essanfälle.
Sobald ich nämlich bewusst zu viel aß, aktivierte ich die zerreißenden Schuldgefühle in mir, und fiel früher oder später in eine „scheiß drauf“ Haltung. Ich aß also an diesem Tag nicht nur Süßes, ich aß „alles“. Ich aß, bis ich Bauchschmerzen bekam. Ich aß, bis ich es kompensieren wollte.
Manchmal verschob sich mein Cheat Day. „Dann ist eben heute der Cheat Day“, sagte ich zu mir selbst, wenn ich zum Beispiel im Restaurant war und spontan für eine Pizza entschied. Doch wenn ich den Cheat Day zwei Mal in der Woche hatte, versuchte ich die Woche darauf komplett zu verzichten.
Dies löste natürlich weitere Heißhungerattacken und Essanfälle in mir aus, weil ich mich dazu zwang, nur an einem bestimmten Tag ungesunden Kram zu essen. Zwänge lautet hier nämlich das Stichwort. Der Verzicht von Produkten löst bei Betroffenen einer Essstörung gewaltige Zwänge aus. Der Cheat Day mag also vielleicht einen physischen Effekt haben, wohl gleich aber auch einen psychischen.
Es kommt auf die Menge an.
Der Cheat Day ist meiner Meinung nach nur dann „effektiv“, wann man sich am Cheat Day etwas gönnt – ein Stück Kuchen vielleicht, oder zwei. Nicht den ganzen Kuchen. Das ist es nämlich, was beim Cheat Day oft missverstanden wird. Man glaubt, man kann an diesem Tag über die Stränge essen, doch bei genauer Reflexion müsste es eigentlich klar sein, dass man nicht abnehmen wird, wenn man sich sechs Tage lang low carb ernährt und dann plötzlich dreifach so viele Kalorien zu sich nimmt. Aber damals verstand ich es noch nicht. Ich konnte und wollte nicht klar denken und reimte mir meine Regeln einfach zusammen.
Durch den Cheat Day ignoriert man die Stimme seines Körpers.
Ich hatte euch ja bereits erzählt, wie wichtig es ist, auf seinen Körper zu hören. Im Laufe der Jahre verlernen es nämlich viele, auf die Stimme des Körpers zu hören. Die Portionen, die heutzutage serviert werden, zwingen uns ja auch förmlich dazu. Bei Betroffenen einer Essstörung ist es besonders schlimm, denn diese verlieren oft das Hunger- und Sättigungsgefühl, und haben Panik davor, zuzunehmen.
Und deshalb finde ich den Cheat Day gefährlich.
Er ist Bestandteil einer Diät. Er ist Bestandteil von einem bestimmten Ernährungsstil, der auf das Abnehmen fokussiert ist und die Stimme des Körpers ausblendet. Er darf sich nur ein Mal pro Woche zeigen und entfesselt damit den Heißhunger und die Essanfälle (der gute alte Jo-Jo Effekt).
Des Weiteren finde ich es schade, dass „ungesundes“ Essen nur dann verzehrt werden darf, wenn man es als „schummeln“ betrachtet und nach wie vor als Ausnahme gilt. Nicht dass ich euch alle dazu motivieren will, auf euren Cholesterinspiegel zu pfeifen und euch für immer von Fast Food zu ernähren, aber ich finde es überhaupt nicht schlimm, mal etwas „Ungesundes“ zu essen, wenn der Körper gerade danach verlangt. Ich finde das sogar gesünder, als es an einem bestimmten Tag, unabhängig davon, ob man darauf Lust hat, oder nicht, zu tun.
Was haltet ihr vom Cheat Day? Habt ihr Erfahrungen damit gesammelt?
Ich glaube, die Sache liegt da bei Jedem anders! Für mich sind Cheat Days ein wahrer Segen 🙂 Ohne sie könnte ich weder überleben, noch meine Traumfigur halten, diese Tage verursachen bei mir auch keine Fressanfälle. Ich habe jetzt eine Langzeitstudie gemacht (ein Jahr ketogen gegessen mit Cheat Days am Wochenende) und wiege ein Kilo weniger als letztes Jahr. Ohne diese schönen Tage könnte ich die Ernährungsform niemals längere Zeit durchhalten. Und wenn ich sie nicht durchhalte, fängt mein Körper wieder an zu wuchern, weil ich zu viele Süßigkeiten esse…
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Ich bestreite auch nicht, dass der Cheat Day erfolgreich sein kann – aber in meinem Fall hat er alles nur verschlimmert!
Liebe Grüße!
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Ja, wie ich schrieb, für jeden gestaltet sich das anders. Bei mir würde das Fehlen von Cheat Days irgendwann zu gewaltigen Fressorgien führen oder dazu, die ketogene Ernährung ganz aufzugeben. Es würde sich die Gier nach ungesunden Sachen aufstauen und ohne ein gezieltes Ventil unkontrolliert entladen.
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In diesem Fall hilft er Dir ja dann sogar 🙂
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Ich kann dir nur zustimmen. Das, was du schreibst, bedeutet nämlich im Prinzip nur eins: Durch dieses Konzept Diät – Cheat Day – Diät [was ja bei Psychisch Gesunden ggf. tatsächlich funktionieren _kann_, nicht muss!) lässt sich eine Essstörung entsprechend gesellschaftstauglich tarnen.
Hungern? Ist nur ne Diät!
Fressanfälle? Ach, ich habe heute meinen Cheat Day!
Und das ist meiner Meinung nach extrem gefährlich.
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Oh ja! Ich habe es auch oft als eine Art Tarnung gesehen bzw. damit gerechtfertigt. Hatte ich mehrere Essanfälle pro Woche, waren es eben mehrere Cheat Days!
Liebe Grüße!
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Ich habe jetzt, durch Deinen Eintrag, das erste Mal von einem solchen Tag gehört. (Also mal wieder was dazugelernt durch Dich! 😉)
Was Du dazu schreibst, erscheint mir absolut schlüssig. Was ich aus Deinem Beitrag an Argumenten FÜR einen solchen Tag gelesen habe, überzeugt mich ganz und gar nicht. – Letztlich läuft es für mich ein bisschen auf das hinaus, was Du in Deinem Eintrag über „Essen als Belohnung“ thematisiert hattest. – Dieser Cheat-Day erscheint mir geradezu als Inkarnation einer Essbelohnung für vorangegangenes bewusstes Ernährungsverhalten. (Mal abgesehen davon, wie im Mindesten zwiespältig Diäten in diesem Sinne sind) – Das ist für mich schlicht und einfach schizophren. Für Menschen mit einer Essstörung muss das der absolute Trigger sein.
Mit konsequentem und kontinuierlichem Verfolgen eines ausgewogenen Essverhalten hat das aus meiner Sicht jedenfalls nichts zu tun.
Ganz liebe Grüße an Dich, liebe Mia! 💖
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Da hast du absolut recht, lieber sternfluesterer – es ist der reinste Trigger, selbst wenn man es anfangs nicht wahrhaben will! Wie du schon sagst, gehört es tatsächlich auch in die Kategorie, sich mit “Essen zu belohnen”, ansonsten würden wir diesem Tag auch nicht diesen großen Stellenwert geben!
Bei vielen funktioniert er offenbar super und bringt durchaus seine Erfolge mit, aber in meinem Fall leider (oder eigentlich zum Glück!) nicht! Andernfalls hätte ich ihn nämlich sicher nie hinterfragt!
Liebe Grüße ♥️
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Ich finde Cheat Days allgemein – egal, ob mit oder ohne Essstörung – eher kritisch und glaube nicht, dass es mit einer gesunden, dem Körper folgenden und unterstützenden Ernährung möglich ist. Denn im Endeffekt teilt man ja die Lebensmittel wieder in „gut“ und „böse“ ein – „Gute“ Lebensmittel gibt’s an normalen Tagen, „Böse“ am Cheatday, ohne jedoch dabei darauf zu achten, was dem Körper gerade wirklich gut täte. Und so kann es meiner Meinung nach nur darauf hinaus laufen, dass man an den „Gute-Lebensmittel-Tagen“ überhört, wenn der Körper eben unbedingt nen Stück Schokolade will und dann wäre gut – stattdessen schiebt man es auf, eventuell wird das Bedürfnis danach größer, bis es am Cheatday eben „erlaubt“ ist.
Und ich meine Verbote findet das Gehirn ja allgemein eher blöd 😀 Wodurch die verbotenen, gewollten Lebensmittel eben noch attraktiver wirken. Und was man attraktiv findet und nicht immer verfügbar ist, will man noch mehr – fast, wie wenn man verliebt ist und der Umgarnte sich rar macht 😀
Ich kann mir zwar vorstellen, dass „Cheatdays“ für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen abnehmen müssen, eine Menge Druck raus nehmen kann, gesund finde ich es jedoch nie, eben weil Lebensmittel in „gut“ und „böse“ eingeteilt werden – und das sind sie nicht. Jedes Lebensmittel hat irgendeinen Wert, wenn es bewusst gegessen wird. Und sei es „nur“ der Wert, dass er gerade gut tut und ein Bedürfnis befriedigt und nicht super wohl nährt.
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Danke für deinen tollen Kommentar! Ich kann die bei deinem Wort nur nickend zustimmen! Der Cheat Day macht einige Lebensmittel tatsächlich attraktiver, als andere. Und gerade bei einer Essstörung ist es unheimlich kritisch und gefährlich!
Ganz liebe Grüße!
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Ich danke dir, dass du meine Kommentare jetzt schon zwei Mal auf Instagram geteilt hast! Hab es gerade gesehen und mich freut das unglaublich ❤
Liebe Grüße zurück und noch ein entspanntes Wochenende wünsche ich dir 🙂
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Danke DIR für deinen tollen Input zu meinem Beiträgen! ♥️ Die regen mich immer wieder zum Nachdenken an!
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Das freut mich ungemein! Das selbe kann ich aber auch nur über deine Beiträge sagen – ich lese sie unglaublich gerne und stoße dadurch das eine oder andere Mal wieder auf Dinge, die mir noch gar nicht so bewusst waren.
(Also an dieser Stelle nochmals ein Danke zurück 🙂 )
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