Bei psychischen Krankheiten wird meistens eine Therapie oder andere psychologische Hilfe empfohlen. Aber nachdem ich nun selbst etwas Therapieerfahrung habe, stelle ich mir folgende Frage: Was bringt überhaupt eine Therapie?
„Hast du schon eine Therapie gemacht?“
Wann immer mir eine Person von ihrer Essstörung erzählt, frage ich immer sofort, ob sie bereits in Therapie ist. Das mache ich nicht nur bei dieser Krankheit, sondern bei vielen anderen, zum Beispiel, Depressionen oder Angststörungen.
Ich sage das nicht, weil ich keine Lust habe mir die Erzählungen anzuhören, sondern weil ich denke, dass es etwas anderes ist, sich einer Person aus dem psychologischen Bereich anzuvertrauen.
„Aber ich habe doch jemanden zum Reden.“
Das sagte neulich eine Freundin, als ich sie dazu motivieren wollte, eine Therapie auszuprobieren. Da sie selbst noch nie in Therapie war, kann ich es ihr nicht übel nehmen, dass sie dachte, dass Therapien ausschließlich wie in Filmen ablaufen: Klient*in liegt auf dem Sofa, Therapeut*in nickt und hört zu. Ihre Sicht war nicht direkt falsch, wohl aber unvollständig. Ein*e Therapeut*in ist mehr als nur Zuhörer*in.
1. Therapeut*innen bleiben neutral.
Egal, was ich meiner Therapeutin erzähle, sie hört immer nur zu und verurteilt mich nicht. Es ist nicht ihre Aufgabe, mir zu sagen, dass ich dann und wann falsch gehandelt habe. Im Gegensatz zu meinen Freund*innen oder meiner Familie gelingt es ihr, neutral zu bleiben und nicht emotional zu werden.
2. Therapeut*innen haben psychologisches Fachwissen.
Manchmal, wenn ich das Gefühl habe, dass mich niemand versteht, oder ich mich selbst nicht verstehe, nickt meine Therapeutin nur und haut im nächsten Atemzug eine psychologische Weisheit heraus. Anschließend fühle ich mich sofort verstanden und weniger „komisch“.
3. Therapeut*innen zeigen neue Wege auf – doch den Weg muss man allein gehen.
Was meine Therapeutin noch tut, ist mir andere Wege aufzuzeigen. Sie sagt mir nicht, in welche Richtung ich gehen soll, doch sie hilft mir dabei, einen Weg zu wählen. Den Weg selbst muss ich allein gehen.
Die Therapie hat mich nicht geheilt.
Wer glaubt, dass die Therapie alle Probleme löst, liegt falsch. Es wird lediglich das Werkzeug in die Hand gelegt, um das Leben selbst zu modellieren. Ein*e Therapeut*in hört zu und und unterstützt, aber er oder sie rettet nicht. Die Therapie hat mir geholfen, aber sie hat mich nicht geheilt. Niemand kann mich retten, ich muss es selbst tun.
Was bringt überhaupt eine Therapie?
Eine Therapie bringt alles oder gar nichts. Sie kann nur dann helfen, wenn man selbst bereit ist, etwas dafür zu tun. Wenn wir nur Woche für Woche hingehen und uns „berieseln“ lassen, werden wir nicht genesen. Also ja, eine Therapie kann etwas bringen. Aber ein Buch und auch kein Mensch kann uns retten, wenn wir nicht selbst bereit sind, etwas „Praktisches“ dafür zu tun.
Wie seht ihr das? Was sind eure Therapieerfahrungen? Findet ihr, dass sie euch etwas gebracht haben?
Ich habe mich lange gegen Therapien gewehrt. Meine größte Angst war, dass ich dadurch irgendwie manipuliert werden könnte, dass das Ziel darin bestehen könnte und würde, „einen anderen“ aus mir zu machen.
Inzwischen habe ich unterschiedliche Therapieerfahrungen gemacht. Weniger gute aber auch sehr positive. –
Leider ist es angesichts, der generellen Schwierigkeiten, die bestehen, überhaupt einen Therapieplatz zu finden und zu bekommen, besonders schwer, das eigentlich Wichtige zu realsieren: Therapien und Therapeuten zu finden, die „passen“.
Das sind nicht die, bei bzw. mit denen man es am leichtesten hat. Aber es können nur die sein, bei und zu denen wirkliches Vertrauen entsteht, bei denen eine Begegnung und ein Austausch auf Augenhöhe stattfindet, die auch von Rücksicht und Einsicht getragen sind, bei denen es nicht etwa darum geht, erst einmal jemanden zu „brechen“ oder irgendjemanden oder irgendeinen Sachverhalt als „schuldig“ zu ermitteln.
Durch einige der Therapien, die ich durchlaufen habe, habe ich Wertvolles über mich erfahren, Einsichten in mich und für mich wichtige Zusammenänge erkennnen und Anregungen für Denk- und Handlungsweisen bekommen, die alle auf eines hinzielten: existenziell notwendige Lebensqualität zurück zu gewinnen.
Ich bin durch all meine Therapien, auch in Kombination mit Medikamentengaben, letztlich nicht gehelt worden, aber die geannnten Dinge waren und sind wichtig für mich geworden und geblieben.
Inzwischen glaube ich an einem Punkt angekommen zu sein, wo ich nicht mehr sonderlich viel Neues oder Anderes über mich oder über Handlungsstrategien erlernen kann. – Insoweit zweifle ich nun erneut, ob es noch einmal Sinn machen würde, mich in eine Therapie zu begeben, angesichts dessen, dass eben nach wie vor viele, teils wirklich schwierige Phasen meinen Alltage prägen, die ich allein immer noich und immer wieder nur sehr schwer zu ertragen und zu bewältigen vermag.
Andererseits denke ich, dass, wenn es halt wieder „passen“ würde, es wenigstens entlastend und auch stabilisierend wirken könnte. Nur quasi noch einmal so ganz von vorn anfangen müssen, etwa mit einem neuen Therapeuten, davor hätte ich gehörig Horror. – ALLES immer wieder von Beginn an hervorholen zu müssen, geht nämlich irgendwann über die Kraft. Jedenfalls über meine …
Im Grundsätzlich stimme ich Deinen Ausführungen und Erfahrungen also zu, liebe Mia. – In jedem Fall sollte man mit Angsstörungen und Depressionen nicht allein bleiben und sich eingestehen, dass kein noch so guter Freund, keine noch so gute Freundin, eine professionell begleitete Therapie ersetzen kann.
Aber wenn einen immerhin ein zwei solche Menschen dann auch noch begleiten, dann ist das so stärkend, so motivierend, dass es auf andere Weise ebenso helfend und unersetztbar ist, wie die Unterstützung durch einen Profi, mit dem es „passt“.
Liebste Grüße an Dich! 💖⚓
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Danke für deine ehrliche Ergänzung, lieber sternfluesterer! Deine anfänglichen Bedenken gegenüber Therapien kann ich gut verstehen. Auch deine gemischten Erfahrungen.
Ich hatte dir ja bereits gesagt, dass ich Therapien vor allem deshalb so toll finde, weil es eine neutrale Person gibt, der man sich anvertrauen kann – wie du schon sagtest, könnte es stabilisierend sein. Aber ja, die Suche ist natürlich auch wieder so eine Sache…
Liebe Grüße! ❤
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Vielen Dank für deinen Beitrag! Für mich hat Therapie anfangs nur leicht funktioniert. Doch dann habe ich festgestellt, dass sie mich eher aufgehalten hat. Entweder wollte ich die perfekte Patientin sein und habe alles gemacht, was mir gesagt wurde und habe alles perfekt präsentiert. Wirklich in die Tiefe gegangen bin ich aber bei weitem nicht. Oder aber ich habe die Verantwortung auf meine Therapeutin abgeladen und bin selbst nicht weiter gekommen.
Erst als ich die Therapie beendet habe – und dann natürlich doch sehr gestolpert, aber dann wieder aufgestanden bin – hat es endlich geklappt. Ich habe mich intensiv mit meinen Themen auseinander gesetzt, in meinem eigenen Tempo. Mein steter Begleiter: mein Tagebuch, das für mich fast wie ein Therapeut gewesen ist.
Es ist nicht der Weg, den ich jedem empfehlen würde. Gerade am Anfang ist eine Therapie fast immer essentiell. Aber ich möchte dennoch dazu aufrufen immer zu hinterfragen, ob die Therapie aktuell noch das Richtige ist. Und vor allem, ob der Therapeut noch der Richtige ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass mir eine Therapie doch noch etwas gebracht hätte, hätte ich eine andere Therapeutin gefunden, mit der ich besser zurecht komme. Doch das habe ich leider nicht, weil einfach absolut niemand einen Termin frei hatte.
Und jetzt? Jetzt geht es mir seit mehreren Jahren sehr gut und wenn ich an früher zurückdenke, dann sind das wichtige Erinnerungen, aber einfach nicht mehr so präsent.
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Danke für diese tolle Ergänzung! 🙂 ich stimme dir auf jeden Fall zu, dass eine Therapie nicht immer das Richtige ist und es noch viele andere Wege gibt! Und wie du sagst, muss die Chemie zwischen Patient*in und Therapeut*in stimmen! Im Übrigen hat mir das Tagebuch schreiben auch immer sehr geholfen!
Liebe Grüße!
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Sehr gerne, es freut mich, dass die Ergänzung bei dir Anklang findet 🙂
Die Chemie ist das A und O. Immerhin breitet man ja seine innersten Gedanken und Probleme vor dem anderen aus – etwas, das man vielleicht sogar den besten Freunden noch nicht einmal gesagt hat.
Liebe Grüße
Janne
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