Dienstagabend: Lästern im Seminar

Ich wollte schwänzen und konnte es dann wieder nicht tun. Vielleicht war es die Gewohnheit, die mich hierher trieb, vielleicht auch der innere Zwang. Aber ganz gewiss nicht meine Lust auf diesen Kurs.

Und wie immer frage ich mich, ob es eine gute Idee war, zu kommen. Es sind noch 10 Minuten, bis Madame fuchsroter Blazer hereinspaziert. Vor mir sitzen drei Mädchen und lästern über eine andere Person. Ich kenne ihren Namen nicht und weiß nicht, ob es eine aus dem Kurs ist oder nicht. Der Tonfall ist flüsternd, aber deutlich genug.

Was wäre passiert, wenn ich geschwänzt hätte?

Wäre ich das Opfer ihres Geplänkels gewesen? Hätten sie abfällig über mich geredet? Über die, die nie mit macht? Die, die immer alleine ist, und sich keine Mühe gibt, sozial aktiv zu sein?

Ich mag sie nicht.

Und damit ist keine bestimmte Person angesprochen. Auch nicht das Geschlecht der Frauen, denn das Lästern beherrscht jeder. Aber dieser Komplott an Menschen, die in der Abwesend anderer schlecht reden, macht mich zugegebenermaßen etwas wütend. Obwohl ich keinen Menschen für seine Bedürfnisse verurteilen will und es durchaus verstehe, wenn man gerne mal „tratscht“, so war es mir stets suspekt, dass das Reden über andere Menschen eine solche Freude bereitet.

Gruppenzwang

Lästern gleicht dem Rauchen. Und Rauchen ist „cool“. Man kann es in einer Interaktion mit anderen tun. Man teilt ein gemeinsames Interesse. Man bildet eine eigene Gruppe. Jedoch wirft der Rauch auch einen stechenden Gestank mit sich. Und nicht jeder ist bereit ihn zu ertragen. Ich kenne viele, die aus dem Wunsch nach Zugehörigkeit mit dem Rauchen angefangen haben. Und genauso mit dem Lästern.

Fressen, oder gefressen werden. Schließt man sich nicht dieser Gruppe an, kann das Leben komplizierter werden. Man ist alleine und wird vielleicht sogar das Opfer. Bin ich zum Scheitern verurteilt, wenn ich mich von all dem abwende?

Spekulationen

Aber zurück auf Anfang: Werden die Menschen in meinem Kurs über mich lästern, wenn ich nicht da bin? Vielleicht. Aber sie werden es auch tun, wenn ich da bin. Das Lästern wird sich nie ausrotten lassen, dafür ist das Reden über andere zu spannend. Aber warum sollte es mich interessieren? Ich habe schließlich nichts getan.

Und selbst wenn…

Lass die Leute reden.“

Aus welchem Song stammt diese Zeile bloß? Ist es ein Lied von den Ärzten? Ich weiß es nicht mehr, aber ich stimme ihr zu. Jetzt muss ich ihr nur noch glauben.

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8 Kommentare zu „Dienstagabend: Lästern im Seminar

  1. Ja, liebe Mia, die Zeile stamt aus einem Lied von den Ärzten. Es ist sogar die Titelzeile des Songs.

    Ich bin überzeugt davon, dass Du nicht zum Scheitern verurteilt bist, wenn Du Dich „von all dem“ abwendest. Du magst als etwas eigen, seltsam, besonders , komisch usw. gelten. Das alles kenne ich auch. Weil auch ich viele „gängige“ Dinge nicht mitmache.

    Bei uns auf der Arbeit sitzen sogar öfter Frauen beieinander und schauen sich mehr oder weniger zotige „lustige“ Videos an. Ich mnag das übverhgaupt nicht, vor allem, weil das dann immer noch von irgendwelchen Sprüchen begleitet wird, die ich noch viel weniger witzig finde.

    Sollen sie mich halten wofür sie wollen, für eine prüde Spaßbremse meinetwegen, sollen sie denken oder reden. Mir ist das egal. Ich galt schon für was ganz anderes … – auch das habe ich ausgehalten.

    Ich bin sicher, dass ich beileibe nicht der Einzige bin, der Deine Einstellung zu bestimmten Dingen, Deine „Besonderheit“ gerade schätzt, dem Du gerade auch deshalb sympathisch bist, dem/r ich deshalb mehr vertraue als anderen Menschen.

    Du wirst nicht scheitern. Es wird manches Mal schwer sein, weil es uns schwer fällt, zu uns zu stehen, so wie wir sind. Aber es GIBT andere Menschen, die auch zu uns stehen, so, wie wir sind, die uns gerade deswegen mögen.

    Du gehörst zu den Menschen, die mir das ein Stückchen mehr bewusst gemacht haben. Ich möchte es (unter anderem mit diesem Kommentar) gern auch für Dich tun.

    Ich grüße Dich ganz lieb übers Meer … ! 🙂 ❤

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    1. Ach dann lag ich mit dieser Theorie sogar richtig! Das Lied werde ich wohl den ganzen Abend im Ohr haben…

      Und das sind ganz liebe hbd aufbauende Worte von dir! Würdest du mir dein Herz ausschütten; würde ich wohl dasselbe sagen. „Lass die reden und denken, was sie wollen!“ Aber in der Praxis ist das Gefühl immer so viel intensiver. Wer will schon ausgeschlossen werden? Aber wiederum will ich auch nichts mit Menschen zu tun haben, die ausschließen…

      Viele liebe Grüße und einen schönen Start die die Woche! ❤️

      Gefällt 2 Personen

  2. Liebe Mia, zu lästern ist etwas was die Gesellschaft völlig akzeptiert. Leider gibt es kein Maß und manchmal passiert es, dass es ausartet. In meiner Jugend wurde auch viel gelästert, von Menschen die eigentlich „Freunde“ waren. Ich hab mich angewendet. Die Menschen müssen lästern um von ihren eigenen Problemen abzulenken. Früher habe ich alles stillschweigend hingenommen, wenn jetzt in meinem Umfeld gelästert wird, gebe ich klar zu verstehen, dass es absolut daneben ist. Lass die Leute reden… Liebe Grüße ♡

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    1. Vielen lieben Dank für deine netten Worte! Da hast du natürlich völlig recht. Ich möchte jedoch niemandem etwas vorwerfen (natürlich auch, um in keine Auseinandersetzung zu geraten…) Aber die Leute reden zu lassen, ist vermutlich das „vernünftigste“
      Liebe Grüße zurück ❤

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  3. Lästern ist natürlich ein Stück weit normal, aber auch ich bin kein Freund davon. Ich nehme mir immer vor es gar nicht mehr zu tun, aber manchmal werde ich dann doch mitgerissen. Das merke ich vor allem oft auf der arbeit, wo ich einfach gerne dazu gehören möchte. Ich habe immer ein total schlechtes Gewissen danach, obwohl ich mich eigentlich immer sehr zurückhalte… ich bewundere jedenfalls Menschen, die gar nicht lästern und sich von den ausführenden Menschen abwenden. Das ist total mutig, auch wenn dich diese Leute dann als seltsam abstempeln. Letztendlich sind sie die Schwachen und du die Starke.

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