Der Ramadan, der neunte Monat im islamischen Kalender, ist für gläubige Muslime eine heilige Zeit des Fastens, des Gebets und der spirituellen Reflexion. Während dieser Zeit verzichten Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken und andere körperliche Bedürfnisse. Für Menschen mit Essstörungen kann der Ramadan jedoch eine besonders schwierige Zeit sein.
Für viele essgestörte Menschen kommt der Verzicht auf Essen gerade recht.
Sie nutzen die Fastenzeit, um ihre Essstörung zu verstecken oder zu rationalisieren. Das Fasten kann auch als eine Art Belohnung empfunden werden, da es das Gefühl gibt, Kontrolle über den eigenen Körper und die Nahrungsaufnahme zu haben. (Stichwort: Magersucht) Gleichzeitig können sich Betroffene jedoch auch unter Druck gesetzt fühlen, während der Ramadanzeit zu fasten und sich den Erwartungen der Gemeinschaft zu fügen.
In vielen muslimischen Kulturen ist das gemeinsame Essen während des Ramadan ein wichtiger Bestandteil der Tradition.
Familie und Freunde treffen sich zum gemeinsamen Essen, oft in großen Gruppen und zu späten Stunden. Das große Problem ist, dass unkontrolliertes Essen, auch bekannt als Binge Eating, in diesen Kontexten oft nicht bemerkt oder akzeptiert wird, da ja alle schnell und sehr viel essen.
Bruch der Routine während der Heilungsphase
Für Menschen mit Essstörungen geht es darum, das Essen neu zu lernen und gesunde Essgewohnheiten zu entwickeln. Der Ramadan kann diese Fortschritte jedoch zunichte machen, indem er die Routine unterbricht und die Betroffenen in alte Muster zurückfallen lässt. Die alten Symptome (nichts essen, auf die Uhrzeit achten, usw.) sind dann wieder sehr präsent.
Die Fastenzeit kann außerdem zu einer Verschlechterung der körperlichen Gesundheit führen, da der Körper Nährstoffe und Flüssigkeit benötigt, um gut zu funktionieren. Bei Betroffenen einer Essstörung ist das besonders gravierend, da jenen durch die restriktive Ernährung ohnehin viele Nährstoffe fehlen.
Moralischer Konflikt zwischen Krankheit und Religion
Sie möchten gute Muslime sein und fühlen sich schuldig, wenn sie nicht fasten. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass es kein Versagen ist, sich um die eigene Gesundheit und Genesung zu kümmern.
Betroffene müssen nicht fasten!
Streng genommen dürfen sie es nicht einmal, da man nur dann fasten darf, wenn man sich gesund genug fühlt. Menschen mit Essstörungen sollten sich bewusst sein, dass das Fasten ihre Gesundheit gefährden kann und dass sie sich selbst und ihren Bedürfnissen Priorität geben müssen.
An alle nicht Betroffen: Zeigt Unterstützung!
Menschen ohne Erfahrung mit Essstörungen haben oft Schwierigkeiten, die Herausforderungen zu verstehen, denen Betroffene während des Ramadans gegenüberstehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht helfen können. Im Gegenteil, indem sie sensibel und unterstützend sind, können sie einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Betroffenen haben.
Meine Mutter war anfangs enttäuscht, dass ich irgendwann aufhörte, am Ramadan teilzunehmen. Es war hart, weil ich mich und meine Krankheit nicht ernstgenommen und zudem nicht unterstützt fühlte. Doch in dieser Zeit suchte ich mir andere Verbündete (meine Schwester), die für mich da waren und dazwischen gingen, wenn ein blöder Spruch von der Seite kam (aber ich hab auch einfach die beste Schwester der Welt!! 🥺🙏🏾) Und heute ist meine Mutter glücklicherweise auch auf meiner Seite. Denn nach einer Zeit verstand auch sie, wie schwer der Weg der Heilung ist, und dass einen jeder Bruch der Routine in der Heilung um Monate zurückwerfen kann.
Insgesamt ist der Ramadan für Menschen mit Essstörungen eine Herausforderung, die mit besonderer Sensibilität und Unterstützung angegangen werden sollte.
Es ist wichtig, die religiösen Traditionen zu respektieren, aber auch die Bedürfnisse und Grenzen der Betroffenen zu berücksichtigen. Der Fokus sollte darauf liegen, die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern, anstatt sich von kulturellen oder sozialen Erwartungen leiten zu lassen.
Wer trotz Essstörung trotzdem fasten möchte, kann das natürlich tun.
Euer Körper, eure Regeln, und nur ihr entscheidet darüber. Aber seid euch trotzdem bewusst, dass ihr das nicht müsst, wenn es euch körperlich und seelisch nicht guttut. ❤️
Alles Liebe
Mounia