Es ist kein Geheimnis, dass ich sensibel und sehr empfindlich bin – das gebe ich offen und ehrlich zu. Aber ich würde nicht von mir behaupten, dass man mich mit Samthandschuhen anfassen muss, nur weil ich einige dieser Sätze einfach nicht hören will. Manche Gedanken sollten manchmal unausgesprochen bleiben.
Folgende „banale“ Sätze haben sich in dieser Woche schneidend in mein Herz gebohrt:
1. „So ist halt das Leben.“
Niemand muss mir sagen, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich nicht die einzige jammernde Person auf diesem Planeten bin. Aber dass das Leben „so ist“, heitert das Ganze nicht gerade auf. Und beim Offenlegen seiner Gefühle ist das nicht das hilfreichste.
2. „Seh nicht alles so negativ.“
Mit dieser Aussage könnten sie (die Person) vielleicht sogar recht haben. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Wenn zu viele „Tiefs“ hintereinander auftreten, wird es manchmal ziemlich dunkel, während man auf das „Hoch“ wartet. Dann stützt sich die Wahrnehmung manchmal auf die ernsten Dinge. Aber ist es nicht eher kontrapoduktiv, mir einen indirekten Vorwurf zu machen?
3. „Du bist undankbar.“
Weiter geht es mit der größten Beleidigung, die man mir machen kann, denn auch wenn es hochmütig klingen mag, bin ich alles andere als undankbar. Ich schätze viel in meinem Leben und bin sehr dankbar dafür. Aber ich habe auch einen rationalen Blick auf essenzielle Dinge, die mir fehlen: Selbstbewusstsein, Selbstwert, Gesundheit, Freude…
Nachdem ich diesen Satz gehört hatte, der eigentlich nur als Scherz gemeint war, hatte ich einen angeschwollenen Hals, weil ich krampfhaft meine Tränen unterdrückte. Ich zuckte nur mit den Schultern, weil ich so eingeschüchtert war.
4. „Wir alle haben Probleme.“
Das ist mir bewusst. Natürlich haben wir alle Probleme. Aber nicht alle gehen auf die selbe Art und Weise damit um. Jeder hat irgendwo seine Grenze. Und es ist keine Schande, dass die Grenze bei anderen näher dran ist, als bei anderen. Was also soll es helfen, mich zu vergleichen?
5. „Du bist nur krank, wenn du es selbst denkst.“
Kommen wir zum schlimmsten Satz. Eine wichtige Person in meinem Leben glaubt nicht an das Konzept von Essstörungen. Es hat Jahre gedauert, bis ich es mir selbst eingestanden habe und heute kann ich es auch aussprechen: ich bin krank.
Besagte Person sieht das leider anders. Besagte Person glaubt, dass ich auf einen „Trendzug“ gestiegen bin, „weil alle jungen Kids das heut zu Tage haben“. Daher glaubt besagte Person auch, dass meine neuen Informationen Kauderwelsch sind, die meine Therapeutin mir eingeredet hat, damit sie Geld verdient. Besagte Person denkt, dass ich mir alles nur einbilden WILL. Und damit verletzt sie mich sehr.
Diese Sätze stammten von den engsten Menschen in meinem Umkreis.
Ich wünschte, es wären Fremde gewesen, dann hätten sie vielleicht weniger geschmerzt. Aber da ich bereits erwähnte, dass ich mich nur wenigen öffne, erübrigt sich selbst, dass nur sie gemeint sein können.
Jetzt habe ich mich gerechtfertigt, ohne dass auch nur eine der Personen es lesen, geschweige denn meine Gefühle dazu wissen wird. Ich fühle mich einerseits befreit, andererseits nach wie vor gefangen. Wie gerne würde ich den Mund aufmachen und sagen:
„Ey. Das hat gerade echt weh getan. Deine Worte haben mich verletzt.“
Doch ich tue es nicht. Warum tue ich es nicht? Weil ich keinen Streit will? Weil ich noch nicht an dem Punkt gekommen bin, mich offen und ehrlich zu rechtfertigen, so wie ich es gerade getan habe? Völlig klar und felsenfest überzeugt?
Keine Ahnung.
Tatsache ist, dass jene Sätze Gift für die Psyche sind (natürlich nicht für jeden – wie gesagt hat jeder eine andere Grenze). Ich muss lernen, mich davor zu schützen. Ich muss lernen, dass falsche Aussagen nicht schmerzen dürfen. Erreiche ich dies, so wird mir niemand was können.
Hoffe ich…
PS. Ich habe mir zum Abschluss ein Herz angewöhnt, aber da das irgendwie nicht zum Ende passt, muss ich ein neues, kitschiges Ende schreiben:
Gebt Acht auf euch, liebt und respektiert euch. Kein Mensch außer euch selbst wird von Anfang bis Ende immer an eurer Seite sein. ♥
Liebe Mia,
bei all deinen Worten bin ich an deiner Seite. Auch ich bin sehr sensibel und stolpere im Alltag unweigerlich über ähnlich gelagerte Sätze. Mir wurde bewusst, dass solche Äußerungen nicht von grundauf schmerzhaft sind, sondern erst dann, wenn wir diese mit unserem Leben, mit unseren Erfahrungen und Ansichten vereinen. Rechtfertigen muss sich keiner und du am allerwenigsten. Der Gegenüber weiß oftmals nicht, was seine Worte in dir anrichten. Schon allein deshalb ist Kommunikation so wichtig. Wenn du nichts sagst, kann nichts besser/anders werden, was du dir aber wiederum wünschst. Früher dachte ich immer, Sensibilität ist furchtbar. Aber nein, wir haben die Fähigkeit auch die leisen Töne zu spüren.
Alles Liebe und geb auch du auf dich Acht.
Michaela
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Danke für diese mutmachenden Worte, liebe Michaela. Ich glaube auch, dass keine der Personen es absichtlich gemacht hat. Dennoch wünsche ich mir eines Tages trotz Stellung zu meinem befinden nicht als „überempfindlich“ bezeichnet zu werden. Klar ist das keine Beleidigung. Aber kann etwas nur Deshalb schmerzhaft sein, weil es wahr ist?
Viele Grüße! ❤️
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Überempfindlichkeit muss nicht schmerzen, selbst wenn es wahr ist. Du bist deswegen kein Verbrecher, der etwas Schlimmes getan hat. In einer Welt, die immer oberflächlicher wird, ist diese Gabe von großer Bedeutung. Sich zu spüren, gehört zum Leben dazu. Ich bin schon ganz oft mit meiner Gefühlsduselei auf die Nase gefallen. Manches geht mir unsagbar nah. Aber warum sollte ich mich dafür schämen oder es bekämpfen wollen? Empathie und Emotionen sind mittlerweile so selten, wie Bitte und Danke. Ich sage oft auf solche Kommentare: „Ich habe was, was du nicht hast.“
Werde zu keinem Mensch, der du nicht sein willst, weil dir von anderen gezeigt wird, was nicht sein darf. Völliger Quatsch … Nichts kommt von ungefähr.
Viele Grüße zurück 🙂
🙂
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Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!! 😀 Danke dafür! ❤️
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Oh, dieser Eintrag schmerzte mich während des Lesens! Ich verstehe Dein Empfinden nach diesen Sätzen sehr, sehr gut. Einige dieser Sätze siund mir selbst so oder so ähnlich auch schon gesagt worden. Und mir ging es hinterher immer wie Dir, wie Du es hier für Dich beschrieben hast, liebe Mia.
Jetzt wo ich sie hier als gegen Dich gerichtet oder als Dich „beurteilend“ gelesen habe, bin ich sehr wütend und traurig in meinem Inneren geworden.
Du bist so wunderbar, wie Du bist!!!
Vieles dessen, was wir selbst als unsere Schwächen sehen, aber noch viel mehr das, was uns andere als Schwäche „bescheinigen“, ist unsere Stärke. – Für mich selbst kann ich das immer und immer wieder nur schwer fassen und annehmen, weil ich mir dann irgendwie arrogant, selbstbezogen, eitel, vorkomme. – Aber mit Dir vor Augen, sehe ich das ganz anders. – Das ist nur ein Beispiel, wie sehr mir die Bekanntschaft mit Dir, die Freundschaft zu Dir, HILFT.
Meine liebsten Grüße an Dich! ❤
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Oh, das wollte ich nicht bezwecken! Dich aber damit traurig oder wütend zu machen empfinde ich als tiefe Anteilnahme zu meinem Beitrag. Absurderweise freut es mich trotzdem, dass meine „banalen“ Sätze verstanden werden. Und du hast natürlich recht: es sind keine Schwächen, wenn wir aus ihnen Stärken machen. Michaela von Happy Kalorie (siehe oben) hat auch wunderschön gesagt, dass Überempfindlichkeit nicht zwingend negativ konnotiert sein muss!
Danke für dein wunderbares Kompliment! Kommentare wie diese helfen auch mir ungemein! ❤
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Hey,
mir tut es sehr leid, dass du durch diese Worte so verletzt wurdest. Oft sind Worte ganz anders gemeint, als sie beim Empfänger ankommen. Wenn man selbst schon sehr sensibel für ein bestimmtes Thema ist, trifft jemand vielleicht unbeabsichtigt einen Nerv. Trotzdem sollte man natürlich nie einer Person sagen, dass sie sich eine solche Krankheit nur einbildet. Kommunikation ist so wichtig, auch wenn es oft ganz ganz schwer fällt, offen zu sein. Vielleicht hast du ja das nächste mal den Mut, deinem Gegenüber zu sagen, dass dich solche Sätze verletzen und auch erklären weshalb. Was für den einen eine spaßhafte „normale“ Bemerkung ist, kann für den anderen ein wunder Punkt sein.
Ich wünsche dir ganz viel Stärke und Mut. Aber es ist auch meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung wenn wir mal schwache Momente haben, wenn wir verletzt sind, wütend oder traurig. Man darf diese Gefühle dann nur nicht verdrängen, sie bewusst wahrnehmen und schauen wie wir mit ihnen umgehen wollen.
Liebste Grüße,
Alina von Selfboost
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Danke für deine lieben Worte! Und ich stimme dir zu – mir ist bewusst, dass vieles nicht böse gemeint war. An dem Punkt, an dem ich mich offen und ehrlich dazu äußern kann, bin ich leider noch nicht, aber ich bleibe dran!:-)
Viele liebe Grüße!!
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