Depressionen und depressive Phasen

Die Depression ist eine sehr ernstzunehmende psychische Krankheit. Ich selbst habe keine, wohl aber mit regelmäßigen depressiven Phasen zu kämpfen. Da ich das selbst lange nicht wusste und die Annahme habe, dass es einigen ähnlich geht, würde ich euch hier meine Erfahrung dazu schildern.

Neulich machte ich bei meiner Therapeutin einen Persönlichkeitstest. Dort sollte eingestuft werden, ob ich von einer Depression betroffen bin und wenn ja, wie stark. Grund zur Annahme war ein gewissen Verhalten, das ich aufwies – gelegentlich zog ich mich zurück, verlor das Gefühl für Lust und Freude, fühlte mich taub und leer. Alles Indizien, die auf eine Depression hinweisen.

Ich persönlich hatte mich nie mit Depressionen identifiziert, weil die  wenigen Betroffenen, die ich kannte, deutlich „schlimmere“ Symptome aufwiesen, als ich. Und doch gab mir das, was die Therapeutin sagte, zu bedenken. Depressionen sind nicht immer gleich und bei jedem individuell. Also machte ich den Test. Heraus kam, dass ich bei 4/10 stand. Offiziell galt ich nicht als depressiv.

Ich habe keine Depression, aber ich habe regelmäßige depressiven Phasen.

Diese depressiven Phasen erscheinen mehrmals im Jahr und holen mich so plötzlich ein, dass ich mich unmöglich auf sie vorbereiten kann. Mal bleiben sie einen Tag, mal eine Woche. In dieser Zeit ziehe ich mich zurück, bekomme meistens einen bulimischen Rückfall, bin traurig und fühle mich unendlich leer und verloren. Ich hasse diese Phasen, vor allem, weil sie so willkürlich sind. Am einen Tag kann ich lachend durch eine Wiese rennen, am nächsten schweben dunkle Wolken über meinem Kopf und schütten literweise Regen auf mich.

Jetzt gerade habe ich wieder eine depressive Phase. 

Vor ein paar Tagen ging es mir noch wunderbar, jetzt schaffe ich es kaum noch aus dem Bett. Ich sitze allein vor dem Fernseher und habe Bauchschmerzen, weil ich einen kleinen Essanfall hatte. Ich will niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Selbst den Einkauf kann ich nicht erledigen oder den Berg an Wäsche, der sich in meinem Bad auftürmt, in Angriff nehmen. Dafür fühle ich mich einfach nicht stark genug. Gleichzeitig fällt mir die Decke auf den Kopf und ich wünsche mir nichts lieber, als frische Luft einzuatmen und den Wind durch meine Haare wehen zu lassen. Meine Gedanken sind an Tagen wie diesen widersprüchlich.

Diesmal gab es auch einen bestimmten Auslöser – meine letzte Therapiestunde hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Die Therapeutin schien ziemlich genervt von mir zu sein und vermittelte mir indirekt, dass ich zu wenig Initiative zeigte. Ich fühlte mich verurteilt und wurde von Versagensängsten heimgesucht.

„Nicht mal eine Therapie kriege ich hin.“

„Selbst meine Therapeutin ist enttäuscht von mir.“

„Ich werde niemals gesund werden.“

Doch das ist nur eine Phase. 

Ich lasse sie zu und unterdrücke sie nicht. Jede noch so schmerzende Emotion muss an die Oberfläche, um vorbeiziehen zu können. Je weniger ich sie unterdrücke, desto schneller verschwinden meine Phasen.

Was ich bei depressiven Phasen tue, ich Folgendes:

Ich denke ausschließlich an mich und tue mir Gutes. Ich mache es mir zu Hause gemütlich und lasse den Fernseher laufen. Manchmal den Ganzen Tag nebenbei, um Stimmen zu hören und mich weniger einsam zu fühlen. Außerdem belohne ich mich  – aber nicht mit Essen! Je mehr ich mir Gutes tue und ganz auf mich höre, desto schneller gehen diese Phasen vorbei. Wer weiß, vielleicht wird es mir schon morgen besser gehen…

Meine Gedanken sind bei denjenigen, die sich jeden Tag so fühlen.

Ich habe nur depressive Phasen, für viele jedoch ist das der Alltag. Keine Ahnung, wie sie trotzdem funktionieren. Wie sie sich zur Arbeit schleppen, ein Lächeln aufsetzen und es schaffen, dass ihre perfekt aufgesetzte Maske nicht einen Moment lang verrutscht. Ich bewundere und denke an euch! ♥

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18 Kommentare zu „Depressionen und depressive Phasen

  1. Liebe Mia,
    danke auch für diesen Beitrag. Du schreibst sehr richtig, dass eine Depression oder eine depressive Phase sich für jeden anders anfühlen. Ich hatte ja nunn schon zwei oder drei Major Depression Episodes in meinem Leben: Phasen, in denen die Depression länger als ein halbes Jahr angehalten hat und recht starke Symptome mit sich gebracht hat. Ich zähle mich aber hier auch noch zu den glücklichen Fällen, da ich erstens sehr wenig mit Lethargie zu kämpfen habe und das „alltägliche Funktionieren“ noch verhältnismäßig gut funktioniert und weil Medikamente bei mir gut anschlagen. Ich habe dann „nur“ mit verringertem Selbstwert und Lebenswillen, sowie ein paar psychosomatischen Beschwerden zu kämpfen. Deshalb denke ich auch, dass sich auf lange Sicht diese Unterscheidungen in den Krankheitsbildern auch in einer Unterscheidung der Diagnose – und damit der richtigen Behandlung – niederschlagen wird.
    Es tut mir leid zu hören, dass du diese depressiven Phasen hast und wünsche dir für sie ganz viel Freundlichkeit zu dir selbst. Sprich mit deiner Therapeutin über die Dinge, die ihre Ungeduld in dir getriggert haben. Das macht jetzt sicher keinen Spaß (Untertreibungen des Jahres, ich weiß ^^), aber ich sehe solche Trigger-Situationen immer als eine Chance, die eigenen psychischen Abläufe nochmal besser zu verstehen und sich nochmal andere Coping-Mechanismen zu erarbeiten.

    Und zu deinen Selbstzweilfeln: Eine Therapie ist schwierig. Wenn sie nicht „genug“ anschlägt, stimmt m.E. irgendwas noch nicht. Vielleicht gibt es noch etwas, was bisher noch unter dem Radar geflogen ist, was aber sehr deutlich mitwirkt, vielleicht muss die Methodik angepasst werden. Es ist völlig normal, dass es manchmal etwas langsamer voran geht. Die „mangelnde Initiative“ klingt natürlich wie ein vernichtendes Urteil, aber das ist vermutlic mehr aus der Frustration deiner Therapeutin mit sich selbst erwachsen, weil sie gerade nicht weiß, wie sie dir dabei helfen soll, diese Initiative zu entwickeln.

    Liebe Grüße und alles Gute dir weiter. Fühl dich umarmt ❤

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    1. Danke für deine mitfühlenden aufbauenden Worte, liebe Grübel-Eule! „Freundlichkeit zu mir selbst“ werde ich versuchen – in Momenten wie diesen sollte man besonders nett zu sich sein! Und ja, vermutlich sollte ich auch mit meiner Therapeutin über diese Phase sprechen (auch wenn es super unangenehm werden wird)!

      Liebe Grüße ♥️

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      1. Also, nachdem sie ja direkt von deiner Therapeutin getriggert wurde und auch zu weiteren Binge-Eating-Anfällen führt, liegt es für mich schon intuitiv nahe, dass da auch ein Zusammenhang besteht, den ihr euch in der Therapie mal ansehen solltet. Und die Dinge, vor denen man am meisten Angst hat, sie anzusprechen sind wohl genau die, die am wichtigsten sind… :-/

        Und du solltest ihr vielleicht gleich zu Beginn sagen, dass ihre Worte bei dir große Selbstzweifel ausgelöst haben und du sie bittest, darauf Rücksicht zu nehmen. Es kann passieren, dass Therapeuten versehentlich Grenzen überschreiten. Meine Therapeutin versucht mir immer wieder einzubläuen, wie wichtig es ist, dass ich sie dann darauf hinweise, damit sie in Zukunft darauf Rücksicht nehmen kann.

        Aber du schaffst das schon.
        Alles Liebe!

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  2. Ich kenne solche depressive Phasen und ich persönlich finde nicht, dass es „nur“ depressive Phasen sind, welche wieder vorbeigehen. Bei mir sind sie z.B. unter anderem Schuld, dass ich keiner geregelten Arbeit nachgehen kann und teilweise auch Anlässe ausfallen muss, weil ich nicht weiss, wann sie auftreten und ich mich dann hinlegen muss und kaum noch Energie habe.

    Liebe Grüsse!

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  3. Ich glaube, dass ich als Kind Depressionen hatte. Ich fühlte mich unverstanden, unerwünscht und irgendwie immer fehl am Platz. Mit 12 dachte ich an Suizid, wünschte mir, einfach nicht mehr da zu sein, weil alles so furchtbar war. Mobbing in der Schule, alkoholkranke Eltern, dazu noch die total schrägen „Erziehungsmethoden“ meines Vaters, es ist ein Wunder, dass ich noch lebe und heute so glücklich sein kann. Allerdings habe ich auch alle Verwandten hinter mir gelassen und den Kontakt abgebrochen zu Leuten, die mir nicht gut tun.

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    1. Bei dem, was du erzählst, wundert mich eine Depression überhaupt nicht! Deine Kindheit und Jugend klingen sehr hart und ist es verständlich dass dich einige Erlebnisse bis heute verfolgen! Ich finde es gut, dass du den Kontakt mit Leuten, die dir nicht gut getan haben, abgebrochen hast!

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  4. Ich denke, Du machst das schon ganz richtig: fokussiere Dich auf Dich selbst und tue das, was Dir gut tut und Spaß macht. Das ist auch keine „Flucht“ irgendwovor, sondern ein Überbrücken der Zeit, bis das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt. Und Du weißt, das wird es. Ganz liebe Grüße!

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  5. Ich hoffe dir geht es bald besser. Es ist toll, dass du dir selbst was gutes tust und diese Phasen akzeptierst wie sie sind. Ich denke, dass ist in dem Moment auch das Einzige was man tun kann. Langfristig hoffe ich natürlich, dass du frei von diesen Phasen sein wirst.
    Ich kenne übrigens auch das Gefühl nicht mal meine Therapie hinzukriegen, aber Therapeuten müssen einen wohl auch mal konfrontieren/strenger behandeln..ist ja auch eine Technik

    Liebe Grüße

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    1. Danke für deine lieben Worte! Ich glaube auch, dass die Strenge der Therapeutin durchaus eine Technik sein könnte, ich weiß nur nicht, ob ich nicht zu „weich“ und sensibel dafür bin ^^

      Liebe Grüße!

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  6. Nachdem mein Therapeut und ich irgendwann, fast zufällig, über die Tatsache gestolpert waren, dass wir beide einander mit erstaunlicher Regelmässigkeit „fehlinterpretieren“ (damit meine ich sowohl Gesagtes als auch all die nonverbalen Aspekte wie Gestik, Mimik, Grundstimmung, etc.), sind wir übereingekommen, uns öfter mitzuteilen, wie wir uns gerade fühlen, welche Assoziationen vielleicht gerade ablaufen, was wir beim anderen sehen/ von ihm wahrnehmen und wie wir es interpretieren und überhaupt, was in uns gerade alles vorgeht, was wir normalerweise für uns behalten würden, weil es ja nur Teile/ Schritte eines Denk- und Erlebnisprozesses sind und daher keinen interessieren. Dem ist aber interessanterweise gar nicht so. Seit wir diese Übungen machen–ich muss zugeben, sie ist so ungewohnt, dass sie in der Regel vergessen geht, weswegen wir uns manchmal zu Beginn einer Stunde bewusst darauf einigen, den Fokus auf all das scheinbar Nebensächliche zu legen–seit wir das so machen, ist uns viel klarer geworden, wie viel unserer Welt wir tatsächlich selber konstruieren, wie viele unserer täglichen Eindrücke unserem ganz persönlichen, äusserst subjektiven Beurteilen unterliegen und wie oft wir eine Situation oder einen Menschen falsch verstehen/ interpretieren und das meistens, ohne es zu bemerken.

    Vielleicht hatte die schlechte Stimmung Deiner Therapeutin nicht einmal etwas mit Dir zu tun. So oder so wäre es für beide hilfreich, darüber zu reden. Zu erfahren, wie der andere besagte Situation empfunden und interpretiert hat. Nicht selten gehen solche Wahrnehmungen erstaunlich weit auseinander. Ein solcher Austausch kann helfen, Klarheit zu schaffen, negative Gefühle zu relativieren oder zu korrigieren. Nicht zuletzt führt er zu mehr Verständnis und Empathie zwischen den Parteien. Voraussetzung für einen solchen, offenen Austausch ist ein Grundvertrauen in einander. Und man darf sich nicht täuschen lassen, diese Übung ist selbst für stabile, völlig gesunde Menschen eine Herausforderung und nicht jedem gelingt sie gleich gut. Übung macht den Meister 🙂

    Ich finde auch wichtig, dass Du Dir klar machst: Deine Therapeutin ist genauso menschlich wie Du. Auch wenn sie ihr „Handwerk“ gelernt hat, so ist sie nicht perfekt. Es mag sein, dass sie bewusst versucht hat, Dich aus der Reserve zu locken. Es kann aber ebenso gut sein, dass ihr Verhalten völlig unbeabsichtig und ungewollt war und nichts mit ihrer Therapievorstellung, vielleicht auch gar nichts mit der Therapie überhaupt zu tun hatte. Es ist immer sehr schwierig, das Verhalten von Menschen zu beurteilen, wenn man sich nur auf die eigenen Eindrücke verlässt. Auch die Eindrücke Dritter sind nicht zwingend hilfreich. Am besten und fairsten ist es, sich direkt mit der betreffenden Person auszutauschen und so zu überprüfen, ob das, was der eigene Kopf sich zusammenreimt, auch stimmt. … Mir ist durchaus bewusst, dass der Mensch sich oft selber täuscht und nicht jeder will oder kann anderen gegenüber offen über seine Motivationen sprechen. Aber wir sollten nicht unversucht lassen, mehr Klarheit zu schaffen.

    Die wünsche ich Dir, zusammen mit viel Mut und Zuversicht ! 🙂

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    1. Danke für deinen Kommentar! Du hast absolut recht – Therapeutin sind auch nur Menschen und können auch Fehler machen. Vielleicht war es eine Taktik, vielleicht auch nicht. Allem voran wäre es vermutlich wichtig, dieses Thema anzusprechen (auch wenn das gar nicht so leicht sein wird…)

      Liebe Grüße!

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      1. Da geht es mir nicht anders. Wobei, solche Punkte anzusprechen, fällt wahrscheinlich den meisten Menschen schwer. Trotzdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es etwas vom Hilfreichsten, Lehrreichsten und Sinnvollsten überhaupt ist, was ich im Leben lernen und nutzen kann; Mehr zu kommunizieren, mehr mitzuteilen, mehr zu fragen. Aber schwer fällt es mir sehr, auch bei meinem Therapeuten. Da müssen wir wohl durch, immer wieder 😉

        Da mir fast alles im Leben mehr oder weniger schwer fällt, ist es für mich vielleicht kein sooo grosser Schritt und Unterschied wie für andere Menschen, denen nur ab und zu etwas schwer fällt. Ich weiss es nicht. Immerhin weiss ich, dass sich die Überwindung in dieser Sache–Rückfragen, Mitteilen–jedenfalls bei meinem Therapeuten auch lohnt 🙂

        Ich wünsche Dir, mit welcher Strategie und welchen Taktiken auch immer Du Deine Therapie bewältigst und weiterführst, immer wieder angenehme Erfolge und beständiges Vorwärtskommen.

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  7. „Meine Gedanken sind bei denjenigen, die sich jeden Tag so fühlen“ Dann sind sie unbekannterweise also auch irgendwie bei mir. Hm, klingt irgendwie tröstlich, obgleich generell nur noch wenig bei mir durchdringt möchte ich es doch annehmen. Was die Fassade angeht, die hielt ich lange aufrecht, obwohl es unter ihr immer mehr bröckelte. Funktionieren half teilweise sogar, auch wenn es viel kraft kostete. Jetzt ist auch die Fassade außerhalb am bröckeln und derzeit muss ich nicht mehr funktionieren, jedenfalls nicht im Job. Im Leben wohl schon. Aber das geht irgendwie automatisch und benötigt weitaus weniger Kraft. Auch ich mache wieder eine ambulante Therapie. Mal sehen ob es diesmal mehr bringt oder ob ich doch am Ende als Therapieressistent gelte.
    LG

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