Es begann alles mit der Trennung – Ist die erste Liebe „schuld“ an meiner Essstörung?

Heute möchte ich euch mal erzählen, wann genau meine Essstörung begann und was die Einflüsse waren. Wie ihr dem Titel entnehmen könnt, begann tatsächlich alles mit einer Trennung. Aber war auch sie „schuld“ an meiner Essstörung?

Ich habe meine Essstörung jetzt seit ungefähr sechs Jahren.

Sie begann sehr schleichend, daher bemerkte ich sie anfangs überhaupt nicht. 

Dann trennten mein Freund und ich uns.

Besser gesagt trennte er sich von mir. ^^ Und auch wenn ich hoffe, dass er das niemals liest, brach für mich eine kleine Welt zusammen, weil ich ihn trotz der kurzen Zeit,  in der wir zusammen waren, wirklich sehr geliebt hatte.

Wir waren also getrennt, mein Leben geriet aus den Fugen, und ich hatte keinen Halt. Die Uni hatte vor Kurzem begonnen, doch ich konnte mich keinem richtigen Freundeskreis anschließen, weil ich weder besonders gesprächig war, noch gute Laune versprühte. Ich war allein, wollte es so, und wollte es gleichzeitig nicht so.

Und dann nahm ich ab.

Anfangs war es unbeabsichtigt. Ich hatte einfach keinen Hunger mehr und aß dementsprechend kaum noch. Meine Mutter kochte mir all meine Lieblingsgerichte, um mich zum Essen zu motivieren und meine Schwester brachte mir immer wieder einen Snack mit, damit ich endlich was aß. Doch ich tat es nicht, zumindest nicht am Anfang. Und dies war bereits der erste Schritt zum essgestörten Verhalten. Denn, ob nun gewollt oder nicht, nahm ich ab. Und mir gefiel mein Körper (etwas besser). Er war eins der wenigen Dinge, die mir Freude bereiteten.

Meine Essstörung war mein Anker. 

Indem ich mich auf meinen Körper fokussierte, lenkte ich mich wunderbar ab. Ich dachte über Essen nach, und nicht über ihn. Ich setzte mich mit „gesunder Ernährung“ auseinander, reduzierte meine Kalorienzufuhr und fing an, zum Sport zu gehen. Je mehr Zeit ich in meine „Essstörung“ investierte, desto weniger empfand ich den Schmerz. 

Irgendwann drehte die Essstörung den Spieß um. 

Denn eine Essstörung kann niemals – egal wie viele positive Gefühle sie auslösen kann – ein Anker sein. Vielmehr ist sie wie ein Dämon, der einem früher oder später die Seele raubt. Sie war wie der beste Drogentrip, der mich nach seiner Wirkung unsanft auf den Boden der Tatsachen fallen ließ. 

Viele schoben meiner Beziehung die Schuld in die Schuhe.

Meine Familie war der felsenfesten Überzeugung, dass mit „ihm“ und der Trennung alles begann. Sie bezeichneten ihn als Arschloch, der mir „das“ angetan hatte. Vor ihm war ich gesund und nach ihm wurde ich krank und war nie mehr ich selbst.

Auch ich muss zugeben, dass die Beziehung toxisch für mich war. Ich war regelrecht „blind“ vor Liebe und konnte oder wollte nicht einsehen, dass diese Person nicht gesund für mich war. 

Aber bedeutet das nun, dass meine Beziehung „schuld“ an meiner Essstörung ist?

Nein, sie ist nicht schuld! 

Es wäre anmaßend, einem einzelnen Menschen einfach die Schuld für eine psychische Krankheit in die Schuhe zu schieben. So funktioniert eine Essstörung nicht. Sie hat nicht den einen Grund, sondern viele, die sich über die Jahre angehäuft hatten.

Aber sie war der Auslöser. 

Mit der Trennung brachte ich den Stein tatsächlich ins Rollen. Der Ballast, der sich über die Jahre angestaut hatte, brach schließlich aus. Damit möchte ich der Person überhaupt keinen Vorwurf machen. Ich wurde nicht seinetwegen krank, unser Trennung war nur der Auslöser, der das Kartenhaus umstieß. 

Vielleicht wäre es früher oder später ohnehin geschehen. 

Inzwischen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass ich früher oder später an einer Essstörung erkrankt wäre. In meinen Therapien habe ich erfahren, dass die Grundsteine schon in meiner Kindheit gelegt wurden. Mein Selbstwert war schon immer sehr niedrig und von meinem Körper hielt ich auch nicht viel mehr.

Meine Trennung war nicht „schuld“, aber dennoch der Auslöser für meine Essstörung. 

Im Übrigen habe ich in diesem Beitrag eine eiserne Regel gebrochen. Ich bin nämlich überhaupt kein Fan davon, anderen die Schuld zu geben. In meinem Beitrag „Warum ich ein Problem damit habe, anderen immer die Schuld für etwas zu geben„, erkläre ich euch warum!

Was waren eure Auslöser für eure psychischen Krankheiten? Konntet ihr ergründen, wann alles begann?

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13 Kommentare zu „Es begann alles mit der Trennung – Ist die erste Liebe „schuld“ an meiner Essstörung?

  1. Bei mir tragen auch Männer die Hauptschuld an meiner ES: mein Vater, dem ich immer zu „dick“ war (lächerlich…, ich war niemals dick) und mein erster Lebensgefährte, der in die gleiche Kerbe haute 😦

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  2. Hallo, und einen schönen Dienstag! 🙂

    Ich folge deinem Blog schon länger – Auslöser war, dass ich (als in der Gastronomie arbeitende Person mit Essstörung) über deinen Artikel gestolpert bin, der sagte, dass auch DU eine in der Gastronomie tätige Person mit Essstörung bist. 😅

    In Vielem, was du berichtest, finde ich mich wieder. Das: „Indem ich mich auf meinen Körper fokussierte, lenkte ich mich wunderbar ab.“ kann ich – wie sicherlich viele andere Betroffene – z.B. zu 100% unterschreiben- 😉

    Genau dieser Mechanismus dürfte somit auch (Haupt-)Auslöser für meine Anorexie gewesen sein: ich brauchte eine Strategie, um mit der Gewalt umzugehen, die ich früher täglich sah oder erlebte.

    Gleichzeitig ist das: „Mein Selbstwert war schon immer sehr niedrig und von meinem Körper hielt ich auch nicht viel mehr.“ etwas, das ich persönlich gar nicht teile! Insofern sind meine Ursachen auf *dem* Feld wieder ganz anders gelagert… 🙂

    Und obwohl ich weiß, dass ein niedriger Selbstwert häufig eine große Rolle bei der Entstehung einer ES spielt, und mir ein solcher auch oft (vorschnell) unterstellt worden ist, so sage ich hier: das muss nicht immer *zwingend* so sein! 🤔

    Gerade deshalb finde ich aber deinen Artikel (und deinen Blog) auch so gut: weil du nachfragst, anstatt schlicht zu behaupten, und weil du an unterschiedlichsten Geschichten interessiert bist, anstatt stumpf zu sagen, „auf diese eine Weise entsteht eine ES, dies sind die Ursachen, Punkt“. 🙄

    Da dies aber bloß ein Kommentar ist und meine Antwort bereits recht lang, verbleibe ich vorerst mit herzliche Grüßen-

    Man liest sich! VVN 😊

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  3. Oh, eine sehr gute Frage…
    Ich schließe mich dir an, dass es auch bei mir nicht den einen ultimativen Grund für meine Erkrankungen gab und viele Bausteine dafür bereits in meiner Kindheit und frühen Jugend gelegt wurden.
    Trotzdem kann ich wie du auch konkrete Auslöser benennen in der Zeit, als die Symptome erstmals aufbrauchen bzw. sich gravierend verschlechterte.
    Das waren einmal die unschöne Trennung meiner Eltern, der Tod bzw. die schwere Krankheit meiner geliebten Großeltern und eine zeitlang Einsamkeit und Mobbing in der Schule. Da kamen die ersten Symptome auf, die aber noch nicht so stark waren.
    Bei der ersten großen Krise mit 20 waren es eigentlich positive Dinge als Auslöser: eine glückliche erste Beziehung, Umzug zwecks Studiumsbeginn, allein Wohnen.

    Liebe Grüße

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  4. Puh, „Schuld“ an einer Essstörung ist definitiv nie eine Einzelperson. Eigentlich sehe ich es ebenso, wie du es beschrieben hast: es gab vorher schon viele brüchige Bauteile und ein einzelnes Ereignis hat einfach einen Riss zu viel hinterlassen. Der muss nichtmal unbedingt größer oder schlimmer als die anderen Risse gewesen sein, sondern einfach nur zu viel. Und daraufhin hat sich eben das Innenleben so sehr verschlechtert, dass es nach und nach zu einer Essstörung kam. Und die Essstörung kommt ja auch nicht von heute auf morgen in vollem Ausmaß in den Raum und zeigt gleich ihre hässliche Seite. Da fängt es ja auch allmählich und am Anfang (meistens) positiv wahrgenommen an, bevor sie so viele Risse und Löcher ins Fundament gebohrt hat und dann das Haus eben zusammen bricht.

    Vielleicht könnte man deine Geschichte mit dem Exfreund ein wenig so anpassen, dass die Essstörung zunächst so getan hat, als wolle sie das Haus reparieren und dabei schlechtes und marodes Material verwendet hat, sodass das Haus am Ende eingestürzt ist. Aber Risse muss es ja vorher schon gegeben haben – oder anders gesagt: ich glaube nicht, dass ein Mensch, der keinen „Knacks“ weg hat nach einer noch so blöden Trennung in eine Essstörung rutscht.

    Ich stimme dir auch darin zu, dass die Essstörung vielleicht später trotzdem ausgebrochen wäre. Und wenn es keine Essstörung geworden wäre, dann etwas anderes. Aber das ist hypothetisch und im Endeffekt – auch wenn so eine Aussage IMMER makaber ist – hat dir die Essstörung ja auch bei vielem geholfen. Und damit meine ich jetzt nicht, das weg sperren von Gefühlen und so weiter, sondern alles, was du in deinem bisherigen Prozess gelernt hast und wohl auch den ganzen Stoff für dein Buch.

    (Ich hoffe mal wieder, dass ich dir nicht mit meinem Kommentar zu nahe trete – er ist zu keinem Teil angreifend oder grenzüberschreitend gemeint)

    Ganz liebe Grüße!

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    1. Mir fällt gerade erst auf, wie böse sich das mit dem „Knacks“ anhört! Das war nicht auf dich als Person bezogen, sondern ganz allgemein und eher leicht humoristisch zu nehmen – Sorry! Mein Kopf ist heute nur noch halb da 😀

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    2. Deine Metapher mag ich sehr gern! Bisher habe ich es noch nie so gesehen, dass die Essstörung mein Haus zunächst zu reparieren versuchte, aber das leuchtet absolut ein! Danke für deinen wieder mal sehr aufschlussreichen Kommentar! 🙂

      Liebe Grüße!

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  5. Ich glaube, es geht hier nicht die Frage von „Schuld“. Man kann aber durchaus von einem Auslöser, einen Trigger sprechen – quasi dem letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Und das Ende einer Beziehung kann auf jeden Fall so ein Tropfen sein, finde ich. Sogar ein ganz dicker Tropfen! Auch, weil du schreibst, dass dein Selbstwert schon vorher niedrig war. Durch diese Erfahrung ist er sicherlich noch wenig mehr eingebrochen, das ist auch von der eigenen „Resilienz“ abhängig. Und die Schuld sollte man, wie du ja auch schreibst, deinem Ex-Freund niemals geben. Er hat ja bestimmt nie gewollt, dass du in die Essstörung rutscht.
    Es ist einfach ein Geflecht aus vielerlei Faktoren, von denen viele ihre Wurzeln bereits in der Kindheit haben. Deshalb ist es ja auch so schwer, dahinter zu kommen und eine Lösung zu finden.

    Bei mir war es übrigens auch so, dass meine Essstörung dadurch begonnen hat, dass ich von einem Typen „abgelehnt“ wurde – ganz ähnlich wie bei dir also, das überrascht mich gerade doch sehr! Dadurch entstand dann der Wunsch bei mir, abzunehmen und ich geriet in diese Teufelsspirale aus „gesunder“ Ernährung, Fitness und halt der Essstörung.

    Schöner, ehrlicher Beitrag! Liebe Grüße 🙂

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    1. Genau! Egal, wie es geendet hat, er hätte niemals gewollt, dass ich krank werden würde! Und wie du schon sagst, geht es ja eigentlich nicht so richtig um „Schuld“, sondern um eine Reflexion aller Auslöser. Mir half das vor allem, mein „Beuteschema“ zu ändern, weil ich mich meistens zu Menschen hingezogen fühlte, die toxisch für mich waren!

      Und echt (auf traurige Weise) „witzig“, dass eine Ablehnung auch der große Auslöser war!

      Liebe Grüße!

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