Essstörungen sind keine „Frauenkrankheiten“!

Wenn über Essstörungen die Rede ist, dann meistens auch von weiblichen Betroffenen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass  Essstörungen keine „Frauenkrankheiten“ sind und sehr wohl auch Jungen/Männer und nicht binäre Personen betroffen sein können. 

Ich muss zugeben, dass ich früher auch dachte, dass Essstörungen eine typische „Frauenkrankheit“ sind. 

Als Kind/Jugendliche kannte ich nur betroffene Mädchen und als ich später erkrankte, las ich nur von Ratgebern, die ehemals betroffene Frauen geschrieben hatten.

Mein einfältiges Bild änderte sich erst, als ich über den Sänger Zayn Malik las, dass dieser jahrelang an Magersucht erkrankt war. Wegen seiner sehr dünnen Figur hatte ich zwar schon „immer“ eine leise Vorahnung gehabt, doch als ich die Schlagzeilen las, war ich trotzdem schockiert. Dieser Vorfall veränderte meinen Blickwinkel für immer.

Ja, auch Männer und nicht binäre Personen haben Essstörungen!

Es stimmt zwar, dass Frauen weitaus häufiger an Essstörungen erkranken, aber die Diagnose hängt nicht vom Geschlecht ab. Je nachdem, welche Einflüsse/Traumata/Komplexe den Menschen prägen, können ALLE eine Essstörung bekommen.

Genaue Zahlen zu Bulimie und Binge Eating habe ich nicht gefunden, aber bei der Diagnose Magersucht (anorexia nervosa) sind etwa fünf bis zehn Prozent der Jugendliche und Männer (in Deutschland sind das 90000 Personen) betroffen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, die eigene psychische Krankheit vor anderen zuzugeben.

Dafür fehlt Betroffenen ein wertungsfreier Raum. Wer will schon gerne zugeben, dass er/sie an einer Essstörung erkrankt ist? Meistens können die Mitmenschen wenig mit dem Wort anfangen und verbinden es wenn, dann nur mit Klischees, die ihnen aus den Medien bekannt sind. Deshalb denke ich, dass psychische Krankheiten und ihre Gefährlichkeit überhaupt erstmal anerkannt werden müssen!

Bei Männern und nicht binären Personen ist die Bekennung einer Essstörung besonders schwierig.

Ihr wisst ja selbst, dass die Gesellschaft nach wie vor ein bestimmtes Bild vom starken und furchtlosen Mann erwartet. Erkrankt aber eben dieser an einer vermeintlichen „Frauenkrankheit“, geht die Gesellschaft noch schwerer als ohnehin damit um. Von nicht binären Personen will ich gar nicht erst anfangen, denn diese werden ohnehin kaum in ihrer Existenz akzeptiert…

Ich kenne zwei Betroffene Männer (Sportbulimie und Binge Eating), die sich partout nicht zu einer Essstörung bekennen wollen, weil sie nicht einsehen, „krank“ zu sein.

Für sie ist ihr Lebensstil und ihre Essverhalten „normal“, teilweise sogar „gesund„. An psychische Konsequenzen denken sie nicht. Ich glaube daher, dass die Dunkelziffer aller Betroffenen, die sich nicht öffentlich bekennen, sehr hoch ist – vielleicht sogar höher als bei den Frauen.

Essstörungen sind keine „Frauenkrankheiten“!

Jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, kann an einer Essstörung erkranken. Es ist unheimlich wichtig, allen den Raum zu geben, damit auch alle Hilfe bekommen können. Schluss mit dieser ständigen Geschlechtertrennung. Gerade bei psychischen Krankheiten ist das völlig lächerlich.

Habt ihr euch mal Gedanken darüber gemacht, ob Männer oder nicht binäre Personen auch an Essstörungen erkranken können? Kennt ihr vielleicht welche in eurem Umfeld? Wenn ja, wie gehen diese mit ihren Essstörungen um? 

12 Kommentare zu „Essstörungen sind keine „Frauenkrankheiten“!

  1. Ih habe bislang nur einmal wissentlich mit Männern Kontakt gehabt, die an einer Essstörung litten, während meines Klinikaufenthalts. Die beiden litten allerdings an Adipositas.

    Zumindest der eine von den beiden trug aber noch etliche weitere „Päckchen“ mit sich herum. Es war ein mehrfacher Familienvater, alleinerziehend. Seine Arme wiesen viele Zeichen von SSV auf. So lebhaft und manchmal sogar „großklappig“ wie er daherkam, so sensibel war er in seinem Wesen.

    Die Wenigsten aber waren bereit, ihn so anzunehmen, wie er nun einmal war. (Selbst unter den Patienten in der Klinik!)

    Wenn ich Deinen Eintrag hier lese, liebe Mia, und an diesen Mann denke, dann bestätigt sich für mich einmal mehr wie viele tabuisierende und stigmatisierende Einstellungen und Ansichten es heute nach wie vor gibt. – Es ist sehr schön, dass Du das Thema hier ansprichst.

    Ich denke an Dich und lasse Dir viele, ganz, ganz liebe Grüße hier! 💖🌺⚓

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    1. Danke für deinen Kommentar, lieber sternfluesterer. Deine Erfahrung zeigt nur zu deutlich, dass Männer auch nur Menschen sind, die genauso verletzlich, sensibel und krank sein können. Besonders wichtig finde ich, ihnen mitzuteilen, dass sie gleichermaßen das Recht haben, Hilfe zu bekommen und gesund zu werden!

      Liebe Grüße! ❤

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  2. Bei mir war es Daniel Johns, der Sänger der australischen Band „Silverchair“, der mich dafür sensibilisierte-

    Bereits in den Jahren 1999/2000 wurde der Weltöffentlichkeit bekannt, dass er an u.A. schwer an Anorexie erkrankt war. Er gab einige (sehr offene und mutige) Interviews darüber, und thematisierte die Essstörung unmissverständlich auf dem Album „Neon Ballroom“.

    „Ana’s Song“ ist meiner Meinung nach bis heute eines der besten Lieder, wenn es darum geht, zu zeigen, was eine ES mit einem Menschen macht – und dass es eben NICHT nur Mädchen und Frauen betrifft.

    Alles Liebe und: toller Beitrag!

    VVN 😊

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    1. Danke für deinen Kommentar 🙂 Den Sänger kannte ich tatsächlich gar nicht, aber mich überrascht nicht, dass es viele geben muss, die essgestört sind. Zudem ist das Ideal des Mannes ebenfalls eines, das immer größer und machtvoller wird!

      Liebe Grüße!

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      1. Ich kann das Album „Neon Ballroom“ auch nur empfehlen. Selbst, wenn es vielleicht nicht jedermanns Musikgeschmack ist – beim Lesen der Texte, beim Anschauen der Fotos und natürlich vor allem beim Anhören fühlt man den Schmerz-

        Deshalb liebe ich das Album und die Band so sehr. ❤

        Einen schönen Mittwoch! VVN

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  3. Respekt für diesen Artikel. Ja, es gibt auch viele Männer, die sich selbst an Ihren Figuren stören weil sie nicht dem „Schönheitsideal“ entsprechen, wie es in den Medien gezeigt wird. Es ist traurig, dass sich dahingehend noch nicht viel geändert hat. Ein guter Charakter ist so viel mehr Wert als alles andere.

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