Essen als Droge – Warum wir sie trotzdem konsumieren müssen

Bei fast jeder Droge ist es so, dass die einzige Heilung darin besteht, sie nie wieder zu konsumieren. Bei Essen ist das anders – die Droge MUSS konsumiert werden.

Essen als Droge

Ich glaube, es gibt kaum etwas Schöneres und Schrecklicheres zugleich, als das, wonach man süchtig ist, weiterhin konsumieren zu müssen. Die Sucht findet das natürlich super – sie bekommt was sie will. Der andere Teil in uns, der Mensch, der um jeden Preis gesund werden will, will am liebsten für immer die Finger davon lassen. Aber das geht nicht. Menschen müssen essen, um zu überleben. Die Sucht ist nicht nur Sucht, sondern ein Grundbedürfnis des Menschen.

Lernen, mit der Droge umzugehen.

Wie bereits erwähnt, lässt sich das Problem der Essstörung nicht lösen, wenn man einfach aufhört zu essen. Stattdessen gilt es, einen neuen Umgang zu finden. Das alte Essverhalten muss aus dem Gedächtnis gestrichen werden und durch ein neues überschrieben werden. Keine Frage, es ist schwer. Sehr schwer. Ich glaube manchmal sogar noch schwerer, als es sein zu lassen.

Früher dachte ich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde, wenn ich einfach aufhöre zu essen.

All die Produkte, die mich triggerten, verbannte ich aus meinem Leben. Käse, Brot, Burtter, Schokolade, Chips, Kuchen … Eine Weile lang klappte das sogar gut – bis ich mich wieder in Anwesenheit des Essens befand. Bei meinen Eltern oder bei Freunden zum Beispiel. Mein Körper lechzte nach dem Geschmack, nach der Konsistenz, nach dem Gefühl, das mir die Droge gab.

Voller Gier und Sehnsucht fiel ich in einen Essanfall, in dem ich nicht nur ein Brot mit Käse und Butter, sondern einen ganzen Laib Brot mit einer ganzen Packung Käse und einer ganzen Packung Butter aß.

Der Rückfall war groß, schmerzhaft und enttäuschend. Indem ich der Droge den Rücken kehrte, nahm ich ihr trotzdem nicht die Macht über mich. Ich musste mich ihr stellen.

Ich musste essen.

Auch wenn ich Angst hatte. Auch wenn ich anfangs das Essen nicht kontrollieren konnte. Auch wenn mich Schuldgefühle plagten, weil ich bereits am Vortag so viel gegessen hatte. Auch wenn die leise Stimme in mir mich vom Gegenteil überzeugen wollte. Auch wenn ich Angst davor hatte, zuzunehmen. Je öfter ich es versuchte, desto weniger wurden die Rückfälle. Auch meine Portionen „normalisierten“ sich mit der Zeit wieder. Ich musste einfach nur wieder anfangen zu essen.

Und zu meinem Gewicht: Ja, ich nahm zu. Ich möchte niemanden belügen. Gerade am Anfang nahm ich ein bisschen mehr zu. Doch es war längst nicht so viel, wie ich befürchtet hatte. Ich bin immer noch derselbe Mensch, mit der Ausnahme, dass ich viel weniger Leid und viel mehr Lebensqualität empfinde.

Zum Schluss noch einen wertvollen Beitrag, den ich euch gern ans Herz legen möchte: Schluss mit dem „Aufrechnen“ – Denk nicht an gestern und an all das, was du gegessen hast!

PS.: Mein Jugendbuch „Zwischen meinen Worten“ ist jetzt erhältlich.

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3 Kommentare zu „Essen als Droge – Warum wir sie trotzdem konsumieren müssen

  1. Kennst du zufällig die Methode von Maria Sanchez „Sehnsucht und Hunger“. Sie ist Therapeutin und beschäftigt sich mit emotionalem Essen. Auf YouTube findet sich das ein oder andere Video von ihr. Mich würde interessieren was du dazu denkst oder ob, du allgemein Erfahrung mit ähnlichen Ansätzen hast.

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    1. Ja, ich war sogar schon mal bei einem Vortrag von ihr 🙂 Ich finde ihren Ansatz „gut“ und sehr informativ und ich finde sie sehr sympathisch. Aber ich muss sagen, dass mich ihre Herangehensweise nicht überzeugen konnte. Das fing schon damit an, dass mir ihre Redensart – so dumm es klingt – irgendwie zu langsam ist. Nach ihren Videos hatte ich viel neues Wissen, aber wusste trotzdem nicht so richtig, mit meinem „Problem“ umzugehen. Außerdem habe ich auch das Gefühl, dass sie zu wenig „body positivity“ – also jede Körperform – ob groß, klein, dick oder dünn anstrebt.

      Wie habt ihr es empfunden?

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      1. Hallo Mia,
        vielen Dank für deine Beschreibung! 😊
        Ich kenne sie persönlich gar nicht. Wir haben nur ein Buch von ihr gelesen und das ein oder andere Video von ihr auf YouTube gesehen. Da fanden wir ihre Ansichten sehr emphatisch und hilfreich. Hauptsächlich insofern, als dass wir zum ersten Mal das Gefühl hatten, dass Essen tatsächlich nicht unser Problem ist, sondern der Hintergrund. Es stimmt, dass auch wir wenig konkretes Handwerkszeug im Umgang mit unserer Problematik fanden, außer mit den eigenen Emotionen zu gehen. Das ist für uns aber erst mal sehr schwammig, wie wir das denn nun am besten machen. Vielleicht liegt es daran, dass jeder Prozess mit der Herangehensweise auch sehr individuell ist. Vielleicht wäre das nach einem besuchten Seminar anders. Spannenderweise hatten wir schon das Gefühl, dass jede Körperform für sie völlig in Ordnung ist.

        Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
        Sofie

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